Handbuch Schutzkonzeptentwicklung in der ELKB

1. Vorwort des Landesbischofs

Ein Porträtfoto von Landesbischof Christian Kopp

Das hier vorgelegte Handbuch ist ein Beitrag zur Prävention von sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche. Kirchengemeinden, Dekanatsbezirke und Einrichtungen erhalten eine Hilfestellung zur Schutzkonzeptentwicklung in der ELKB.

Die Mitarbeitenden der Fachstelle sind regelmäßig in Bayern unterwegs, um das Bewusstsein für dieses wichtige Thema zu stärken. Sie geben konkrete Hilfestellungen, wie Fälle sexualisierter Gewalt möglichst verhindert werden können. Jeder Fall ist ein Fall zu viel.

Für alle Mitarbeitenden der Evangelischen Kirche sind alle diese Fälle entsetzlich. Es widerspricht vollkommen den Haltungen der Liebe Gottes und des Respekts vor jedem Leben, von denen die Kirche lebt. Es schreit zum Himmel, dass in der Evangelischen Kirche solche Fälle vorkommen.

Sexualisierte Gewalt ist das Gegenteil des christlichen Glaubens und Auftrags. Es beschämt uns zutiefst, dass Menschen sexualisierte Gewalt im Raum der Kirche erfahren haben und erfahren. Der Schutz von Mitarbeitenden wurde immer wieder höher bewertet als der Schutz und die Begleitung betroffener Personen. Wir arbeiten diese Haltungen und Vorkommnisse auf.

In der Kirche müssen wir konsequent handeln. Das Präventionsgesetz aus dem Jahr 2020 und das Rahmenschutzkonzept aus dem Jahr 2021 waren wichtige Meilensteine. Dieses Handbuch bietet praktische Hinweise zur Prävention von sexualisierter Gewalt. Auch die theologische Perspektive wird in diesem Handbuch aufgenommen. Denn die Erfahrung sexualisierter Gewalt im Raum der Kirche kann den Glauben der Betroffenen nachhaltig beschädigen oder gar zerstören.

Die Etablierung des Beteiligungsforums auf der Ebene der Evangelischen Kirche in Deutschland war ein zentral wichtiger Schritt für unsere gemeinsamen Schritte des konsequenten Handelns gegen sexualisierte Gewalt. Im Jahr 2024 wird auf Ebene der Evang.-Luth. Kirche in Bayern und der Diakonie Bayern eine unabhängige regionale Aufarbeitungskommission ihre Arbeit beginnen.

Dieses Handbuch zur Schutzkonzeptentwicklung in der ELKB ist ein wichtiges Hilfsmittel zur Unterstützung kirchlicher Präventionsarbeit und damit Ausdruck gelebten Glaubens.

Ich wünsche dem Handbuch viele aufmerksame Leserinnen und Leser und eine konsequente Umsetzung der Schutzkonzepte in den Kirchengemeinden, Dekanatsbezirken und kirchlichen Einrichtungen.

Landesbischof Christian Kopp

2. Einleitung der Fachstelle

Unsere Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern als einen sicheren Ort zu erfahren, an dem uns vertrauende Menschen ihren Glauben leben und Gemeinschaft gestalten können – für viele ist das der Grund, sich unserer Kirche zugehörig zu fühlen. Doch es gibt auch Menschen, die durch Mitarbeitende unserer Kirche zutiefst verletzt wurden. Dass Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer sexualisierte Gewalt in den Strukturen unserer Kirche erfahren, ist zutiefst beschämend.

Als Konsequenz daraus müssen wir alles dafür tun, damit Geborgenheit und Schutz in unserer Kirche an jedem Ort in Bayern von allen empfunden werden kann. Für dieses Ziel setzen sich viele Menschen in ihren Orten und wir als Mitarbeitende der Fachstelle jeden Tag aufs Neue ein. Mit diesem Handbuch wollen wir Sie so gut wie irgend möglich bei der Erstellung der Schutzkonzepte unterstützen.

Immer weniger Menschen schultern immer mehr Arbeit in unserer Kirche. Und nun sind Sie auch noch aufgefordert, Ihr Schutzkonzept zu erstellen. Das Gefühl der Überlastung können wir gut nachempfinden. Dennoch halten wir daran fest, weil Ihnen und uns eines gemeinsam ist: Wir wollen Menschen in unsere Kirche als einen Ort des Glaubens und der Gemeinschaft einladen, an dem sie einander in Sicherheit und Respekt begegnen können.

Bei der Erstellung Ihres Schutzkonzeptes werden Sie merken, dass Sie sich Schritt für Schritt mit den eigenen Gegebenheiten vor Ort befassen: Sie lernen Ihre Kirchengemeinde, Ihren Dekanatsbezirk oder Ihre Institution aus einem anderen Blickwinkel kennen. Sie werden sich im Prozess mit möglichen Risiken und Potentialen vor Ort, mit sexualisierter Gewalt und anderen Formen von Missbrauch, mit nicht Erkanntem oder nicht Benanntem auseinandersetzen.

Gewalt kann sprach- und hilflos machen. Beim Schreiben der Schutzkonzepte finden Sie Worte für das, was so lang unsagbar blieb. Auf der einen Seite erkennen Sie Täter*innen-Strategien, Settings vor Ort, die sexualisierte Gewalt begünstigen können und potentielle Gefahrensituationen. Auf der anderen Seite werden Ihre eigenen Kompetenzen gestärkt und erweitert. Ihrer Intuition und Ihrem Bauchgefühl für Unstimmiges begegnen Sie mit mehr Aufmerksamkeit. Ein Schutzkonzept bietet wichtige Leitplanken der Orientierung und kann Ihre Arbeit mit klaren Kriterien besonders im Betreuungs- und Seelsorgekontext erleichtern.

Im System Kirche – ständig in Bewegung, ständig sich verändernd – braucht es klare Strukturen, Handlungsanleitungen und Informationen, die allen bekannt sein müssen zum Thema sexualisierter Gewalt. Ein Schutzkonzept ist ein wichtiger Baustein in der Weiterentwicklung Ihrer Kirchengemeinde, Ihres Dekanatsbezirks oder Ihrer Einrichtung hin zu einem Ort, an dem Partizipation, Respekt und Achtsamkeit für alle Menschen gelebt werden.

Dieses Handbuch möchte Sie mit Inhalten und Materialien im Prozess der Schutzkonzeptentwicklung unterstützen, zusätzlich zu allen Schulungen und Beratungen, die von unserer Fachstelle angeboten werden.

So kann es uns gelingen, dass die Schutzkonzepte dazu beitragen, unsere Kirche als einen Ort des Glaubens, der Gemeinschaft und gleichzeitig der Geborgenheit und des Schutzes erfahrbar zu machen.

Die Mitarbeitenden der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Bayern

3. Theologische Grundlagen

Dass Sie individuelle Schutzkonzepte für Ihre Kirchengemeinde, Ihren Dekanatsbezirk oder Ihre Einrichtung erstellen, ist im Präventionsgesetz der ELKB so vorgeschrieben. Es geht aber nicht allein darum, dem Kirchenrecht Genüge zu tun. Wir haben auch eine theologische Verantwortung.

Zurecht wird an uns als Kirche ein hoher Maßstab angelegt. Dass sexualisierte Gewalt in unserer Kirche stattgefunden hat und stattfindet, ist ein Skandal. Es ist erschreckend und beschämend. Neben unserer Botschaft der unermesslichen Liebe Gottes für die Menschen treten die Fälle sexualisierter Gewalt besonders dunkel hervor. Gott wurde in Jesus ganz Mensch. Als ein verletzliches Kind kam er auf diese Welt. Wo wir Kinder, Jugendliche und erwachsene Menschen nicht vor Gewalt schützen konnten, haben wir uns auch Gott gegenüber schuldig gemacht. „Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan.“ lesen wir im 25. Kapitel im Matthäusevangelium.

Vier Grundsätze leiten den Umgang mit sexualisierter Gewalt in unserer Kirche:

  1. Wir sind auf der Seite der betroffenen Menschen.
  2. Die Schuld liegt allein bei den Täter*innen.
  3. Wo auch immer die Kirche Taten zu vertuschen versucht und/oder Betroffene nicht unterstützt hat, ist sie mitschuldig geworden.
  4. Die erlebte sexualisierte Gewalt begleitet Betroffene oft ein Leben lang. Aufarbeitung sieht individuell sehr unterschiedlich aus und hat kein festes Ende.

Diese Grundsätze leiten sich aus dem Wissen um Täter*innen-Strategien ab. Sie können sich aber auch theologisch ableiten:

  1. Gott gibt jedem Menschen Würde. Das lesen wir ganz am Anfang der Bibel. Diese Würde darf nicht verletzt werden. Das ist auch im Grundgesetz verankert. Gott ist auf der Seite der Opfer. Er ist ein Gott, der die Schreie seines Volkes und seiner Kinder hört. Er erhöht die Niedrigen. Daraus ergibt sich für uns als Kirche eine „Option für die Betroffenen“. Das ist unsere Perspektive. Wir sind verantwortlich dafür, den „Schwachen“ einen Schutzraum aufzutun.
  2. Gott ist ein barmherziger Gott. Er vergibt Schuld und ermutigt uns Menschen dazu, einander zu vergeben. Dies bedeutet jedoch unter keinen Umständen, dass Betroffene ihren Täter*innen vergeben müssen. Wo dies gefordert wird, wiederholt sich Gewalt in Form von spirituellem Missbrauch. Heilsam kann für Betroffene sein, barmherzig mit sich selbst zu sein. Hier ist Aufgabe der Kirche Räume zu schaffen, die dies unterstützen. Täter*innen wiederum haben ein unterentwickeltes Schuldbewusstsein. Im Kontakt mit ihnen ist es Aufgabe der Kirche, Böses als Böses zu benennen und keine billige Gnade zu erteilen.
  3. Gott stellt den Menschen unter seinen Segen. Die Bibel kennt viele Bilder für seinen Schutz. Er ist wie ein Schild, er verteidigt Menschen wie eine Bärin. Gott stellt Kinder unter einen besonderen Schutz. Er segnet sie. Jesus stellt Kinder als Glaubensvorbilder dar. Wo Menschen allerdings sexualisierte Gewalt in der Kirche erfahren haben, kann der Glaube an diesen segnenden, schützenden Gott Brüche bekommen oder ganz verloren gegangen sein. Es ist wichtig zu wissen, wie Traumata „funktionieren“, um ansatzweise zu verstehen, was Betroffene durchmachen. Wo dies gewünscht ist und das entsprechende Wissen vorhanden ist, können Betroffene in ihrer individuellen Aufarbeitung auch innerhalb der Kirche begleitet und unterstützt werden. Zuvorderst ist es aber Aufgabe der Kirche, die institutionelle Aufarbeitung voranzutreiben. Gewalt, Verbrechen und ihre Strukturen müssen aufgedeckt werden. Dem prophetischen Ruf, uns für Gerechtigkeit, Heilung und Freiheit einzusetzen, muss die Kirche noch konsequenter folgen.

An uns alle stellt sich die Aufgabe, unsere Theologie mit dem Wissen um sexualisierte Gewalt kritisch zu hinterfragen. An verschiedenen Punkten hat nämlich auch unsere Theologie mit dazu beigetragen, dass sexualisierte Gewalt stattfinden konnte oder nicht aufgedeckt wurde.

Faktoren, die dazu beigetragen haben, eine Kultur der Gewalt auch in unserer Kirche aufrechtzuerhalten, können sein:

  • Unterordnung: Viele der Briefe im neuen Testament fordern Unterordnung, vor allem von Frauen.[1] Dies geht so weit, dass sogar Unterordnung im Kontext von Schlägen und Gewalt gefordert wird.[2]
  • Leiden: In den Briefen, aber auch stellenweise in den Evangelien wird Leiden in einen positiven Kontext gestellt, da auch Christus gelitten hat.[3]
  • Vergebung: Ähnlich wie beim Leiden, wird bisweilen Christus als Vorbild für seine Vergebungsbereitschaft dargestellt.
  • Scheidung: Die Ehe wird so hochgeschätzt, dass ein Verbleiben in einer missbräuchlichen Ehe als das geringere Übel betrachtet werden kann.[4]
  • Gott Vater: Die Betonung von Gott als Vater, obwohl die Bibel auch Bilder von Gott als Mutter kennt, unterstützt die Geschlechterungerechtigkeit unserer Gesellschaft.
  • Demut und Dienen: Diese Tugenden können leicht dazu missbraucht werden, Unterdrückung zu rechtfertigen, wo sie von denen gefordert werden, die in der Hierarchie weiter unten stehen.

Faktoren, die helfen, einer Kultur der Gewalt entgegenzuwirken, sind:

  • Schöpfung: Gott erschafft den Menschen männlich und weiblich. So wie er Morgen und Abend und damit alle Zeiten dazwischen erschafft. Kein Geschlecht wird über ein anderes gestellt. „Und siehe, es war sehr gut.“[5]
  • Jesus: Er beruft Männer und Frauen als Jünger und Jüngerinnen. Er verteidigt Frauen gegenüber den Aposteln und anderen Männern, stellt sie als Glaubensvorbilder dar. Er lässt die Kinder zu sich kommen, segnet sie und stellt auch sie als Glaubensvorbilder dar. Er hinterfragt gesellschaftliche Normen und konterkariert die Machtverhältnisse seiner Zeit.
  • Gleichberechtigung: In Christus gelten neue Maßstäbe: Herkunft, Status, Geschlecht spielen keine Rolle – alle sind eins in Christus, alle kommen von Gott.[6]
  • Fülle: Jesus legt eine Vision von einer Welt (und Kirche) nahe, in der alle Leben in Fülle haben.[7]
  • Demut und Dienen der Mächtigen: Nicht die Kinder, Jugendlichen und schutzbedürftigen Erwachsenen, sondern die Pfarrer*innen, die Leitenden, die Verantwortlichen sind aufgerufen zu dienen und eine Haltung der Demut einzunehmen.[8]
    Diese Auflistung ist nicht vollständig. Sie soll dazu anregen, über die eigene Theologie ins Nachdenken zu kommen. Wo predigen, arbeiten, leiten und begleiten wir so, dass es dem Leben dient? Dass Gottes frohe Botschaft und seine unermessliche Liebe ungetrübt strahlen kann? Dass Menschen aufgerichtet, getröstet, gestärkt und motiviert werden?Ihre individuellen Schutzkonzepte werden dazu beitragen.

Fußnoten:

  • [1] Eph 5,22-23; 1. Tim 2,11-15; 1. Kor 14,33-35; 1. Kor. 11,3-16; Kol 3,18; 1. Petr 3,1-6; Tit 2,4-5
  • [2] 1. Petr. 2,13-3,14
  • [3] Röm 5,3-4; 2. Kor. 4,17; Kol 1,24; Jak 1,12; Lk 14,27; Phil 3,10
  • [4] Mal 2,16; Mat 19,1-10
  • [5] Gen 1,31
  • [6] Gal 3,28; 1. Kor 11,11
  • [7] Joh 10,10b
  • [8] Mi 6,8; Mk 10,43

4. Schritte bei der individuellen Schutzkonzeptentwicklung

Folgende Schritte können Sie auf dem Weg zu Ihrem individuellen Schutzkonzept gehen. Eine Vorlage zum Ablaufplan, auf dem Sie u.a. die Verantwortlichen und das jeweilige Zeitfenster eintragen können, finden Sie im Anhang.

1. Beschluss

Im betreffenden Leitungsgremium das Thema Prävention sexualisierter Gewalt auf die Tagesordnung setzen und einen Beschluss fassen,

  • dass ein Schutzkonzept entwickelt wird,
  • wer dafür zuständig ist,
  • für welche Einheit es entwickelt werden soll (z. B. Kirchengemeinde, Subregion, Dekanatsbezirk, Einrichtung)
  • und wie der Prozess der Schutzkonzeptentwicklung partizipativ gestaltet werden kann.

2. Gründung der Arbeitsgruppe

Gründen Sie eine Arbeitsgruppe zum Thema Schutzkonzeptentwicklung mit Mitgliedern aus relevanten Arbeitsbereichen (z. B. Jugendarbeit, Besuchsdienst) und der jeweils zuständigen Mitarbeitendenvertretung. Überlegen Sie, ob Sie sich zusammen mit anderen Kirchengemeinden oder Einrichtungen gemeinsam auf den Weg machen wollen.

Eine Bereicherung der Schutzkonzeptarbeit kann es auch sein, wenn Sie Fachkräfte aus der Umgebung anfragen, um den Prozess zu moderieren oder Bausteine nach Absprache auszuarbeiten. Als hilfreich hat sich erwiesen, dass eine Person in der Arbeitsgruppe die Projektleitung übernimmt und Kontakt zur Fachstelle für Absprachen und Klärungen hält.

3. Schulung der Arbeitsgruppe

Alle Mitglieder der Arbeitsgruppe sollen Grundwissen zum Thema sexualisierte Gewalt haben, also möglichst im Vorfeld an einer Basisschulung teilgenommen haben.

Sie können sich auch mit anderen Arbeitsgruppen aus der Region oder in der Nachbarschaft vernetzen, um eine Schulung mit der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der ELKB zu organisieren.

4. Prozess öffentlich machen

Informieren Sie Ihre Gemeinde oder Einrichtung darüber, dass Sie sich auf den Weg gemacht haben, ein Schutzkonzept zu erarbeiten. Dazu finden Sie Material (Logo, Pressebausteine) rechts im Downloadbereich.

5. Grundsätzliche Vereinbarungen

Beim ersten Treffen der AG klären Sie den organisatorischen Rahmen und beantworten für sich folgende Fragen:

  • In welchem Rhythmus treffen wir uns?
  • Welches Material brauchen wir für die nächsten Treffen?
  • Welche Fragen müssen noch vorab geklärt werden?
  • Welche Unterstützung benötigen wir?

6. Risiko- und Potentialanalyse

Führen Sie unter Beteiligung relevanter Zielgruppen eine Risiko- und Potentialanalyse durch.

Nutzen Sie hierfür den Fragebogen der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt und/oder andere passende Methoden für die unterschiedlichen Zielgruppen.

7. Erarbeitung der Bausteine des individuellen Schutzkonzeptes – ein Vorschlag fürs Vorgehen

  • Die Fachstelle hat für Sie bereits die Bausteine Leitbild, Verhaltenskodex, Interventionsleitfaden, Aufarbeitung, Rehabilitation und Beschäftigtenschutz erstellt. Machen Sie sich mit diesen vertraut und übernehmen Sie sie in Ihr Schutzkonzept.
  • Wenn Sie eine Kirchengemeinde sind, bringen Sie in Erfahrung, welche Bausteine darüber hinaus für Sie bereits auf Dekanatsebene erstellt wurden, machen Sie sich mit diesen vertraut und übernehmen Sie sie in Ihr Schutzkonzept.Wenn Sie das Schutzkonzept für einen Dekanatsbezirk erstellen, achten Sie besonders auf die Bausteine, die Sie als Dekanat für alle Kirchengemeinden bearbeiten, und erstellen Sie diese zuerst.

    Wenn Sie als Einrichtung Ihr Schutzkonzept erstellen, übernehmen Sie die Bausteine der Fachstelle und fahren Sie dann mit den weiteren fort.

    Wir stellen Ihnen eine Dokumentenvorlage zur Verfügung, in der Sie arbeiten können.

  • Halten Sie für die Erarbeitung der Bausteine Ihre Ergebnisse aus der Risiko- und Potentialanalyse bereit. Sie werden sie bei der Weiterarbeit brauchen.
  • Lesen Sie die Infotexte und folgen Sie den Anleitungen aus dem Handbuch. Nutzen Sie gerne die jeweiligen Beispieltexte und passen Sie sie ggf. an.
  • Legen Sie den Schwerpunkt bei der Erarbeitung darauf, zu überlegen, wie Sie die einzelnen Bausteine durch konkrete Maßnahmen in den Alltag übertragen können. Hierbei ist ein wichtiger Leitgedanke: Die Maßnahmen, die sie beschreiben, sollen realitätsnah und für Ihre Rahmenbedingungen alltagstauglich sein. Ziehen Sie hierbei auch immer die Ergebnisse Ihrer Risiko- und Potentialanalyse zu Rate. Was muss getan werden, um bei den Fragen des Fragebogens zu einem „Ja“ zu kommen?
  • Legen Sie für Ihre Maßnahmen Themenwächter*innen und einen Zeitplan der Umsetzung fest. Priorisieren Sie Maßnahmen, die große Risiken minimieren und solche, die Sie leicht umsetzen können.
  • Nutzen Sie auch weiterhin die Unterstützung und Beratung durch die Fachstelle.
  • Nachdem Sie alle Bausteine erstellt haben, überprüfen Sie ein letztes Mal die Ergebnisse Ihrer Risiko- und Potentialanalyse: Welche Ergebnisse wurden noch nicht bei der Erstellung der Bausteine berücksichtigt? Was muss noch in weitere konkrete Maßnahmen münden? Ergänzen Sie auch diese Maßnahmen in Ihre Liste.

8. Überprüfung und Abnahme des Schutzkonzeptes durch die Fachstelle

Nachdem das Schutzkonzept fertiggestellt worden ist, setzen Sie die Regionalbeauftragten oder die*den Koordinator*in der Fachstelle (Fachbereich Prävention) davon in Kenntnis und schicken dieser Person das fertige Schutzkonzept zu. Diese überprüft Ihr Konzept und berät Sie, falls noch letzte Anpassungen nötig sind. Die Kontaktdaten aller Regionalbeauftragten sind auf www.aktivgegenmissbrauch-elkb.de zu finden.

Wichtige Kriterien bei der Überprüfung sind:

  • Alle im Handbuch beschriebenen Bausteine sind im Schutzkonzept vorhanden.
  • Alle relevanten Personen (z.B. Ansprechpersonen) sind berufen und benannt.
  • Alle Formulare sind im Schutzkonzept enthalten und ausgefüllt.
  • Das Schutzkonzept ist sprachlich sensibel formuliert.

9. Beschluss im entsprechenden Leitungsgremium

Sobald Ihr Schutzkonzept fertig überprüft wurde, muss es im entsprechenden Leitungsgremium beschlossen werden.

10. Veröffentlichung von relevanten Bausteinen des Schutzkonzeptes

Schutzkonzepte sind nicht für die Schublade gedacht, sondern müssen in der alltäglichen Praxis umgesetzt werden. Daher müssen jetzt die Mitarbeitenden, die uns anvertrauten Menschen und die Öffentlichkeit informiert werden (siehe Baustein Öffentlichkeitsarbeit). Überlegen Sie, wie und wo relevante Bausteine Ihres Schutzkonzeptes präsentiert werden.

11. Umsetzung des Schutzkonzeptes

Die Erstellung eines Schutzkonzeptes endet nicht mit dem Beschluss und seiner Veröffentlichung. Die vereinbarten Maßnahmen müssen in die Praxis umgesetzt und gelebt werden. Erst dann entwickelt das Schutzkonzept seine präventive Wirkung.

Dabei sind die Präventionsbeauftragten, in ihrer Funktion als Themenwächter*innen, wichtig. Auch benannte Ansprechpersonen für von sexualisierter Gewalt Betroffene und Multiplikator*innen, die Schulungen für die Mitarbeitenden durchführen, sind bei der Umsetzung wichtige Personen.

12. Überprüfung und Weiterentwicklung des Schutzkonzeptes

Was heute für die Gemeinde oder Einrichtung passend ist, kann zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr gelten. Daher muss das Schutzkonzept in regelmäßigen Abständen überprüft und gegebenenfalls weiterentwickelt werden, im Regelfall alle fünf Jahre.

Ausnahme: Bei Vorfällen von sexualisierter Gewalt in der Kirchengemeinde oder in der Einrichtung muss das Schutzkonzept als Teil der Aufarbeitung zeitnah überprüft und angepasst werden, vor allem hinsichtlich (noch) nicht berücksichtigter Risikofaktoren.

Manchmal gibt es Bedenken bis hin zu Widerständen innerhalb der Gemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung). Betrachten Sie dies als normale mögliche Dynamik unter dem Blickwinkel, dass es Menschen gibt, die anders auf das Thema schauen. Überlegen Sie, was der Grund dafür sein kann.

Die Menschen sind nicht ausreichend für das Thema sensibilisiert.

  • Kann eine Präsenz- oder Online-Schulung besucht werden?

Es fehlt an Kommunikation über die Bedeutung und den Sinn eines Schutzkonzeptes.

  • In welchen Formaten könnten Sie vor Ort weiter zu dem Thema informieren?

Es gibt (noch) keine Form der Beteiligung der Menschen, inklusive kritischer Auseinandersetzung.

  • Je früher Sie Beteiligungsmöglichkeiten schaffen, desto weniger Gegenwind bekommen Sie später.

Aber: Manche Widerstände lassen sich nicht ausräumen. Manchmal haben sie auch persönlich-biographische oder andere Gründe. Bleiben Sie gelassen.

Vorlage Ablaufplan Schutzkonzeptentwicklung

Vorlage Gliederung Schutzkonzept zur Erarbeitung eines individuellen Schutzkonzepts

Vorlage Gliederung Schutzkonzept zur Erarbeitung eines individuellen Schutzkonzepts inklusive aller Beispieltexte zu den Bausteinen


Logo „Aktiv gegen Missbrauch“

Pressemeldungen für den Schutzkonzeptprozess

5. Zur Verwendung des Handbuches

Wir wollen es Ihnen möglichst einfach machen, ein Schutzkonzept zu erstellen. Gleichzeitig wollen wir, dass es seine präventive Wirkung entfalten kann. Daher bieten wir Ihnen Bausteine, die Sie „einfach so“ übernehmen können. Wir bitten Sie aber sehr um eine intensive und partizipative Auseinandersetzung, damit diese bei Ihnen vor Ort tatsächlich präventiv wirken.

Von der Fachstelle wurden folgende Bausteine erstellt, die in Ihr Schutzkonzept übernommen werden können:

  • Leitbild
  • Verhaltenskodex
  • Interventionsleitfaden
  • Aufarbeitung
  • Rehabilitation
  • Beschäftigtenschutz

Darüber hinaus empfehlen wir den Dekanatsbezirken für ihre Kirchengemeinden Bausteine bearbeiten, die von allen Kirchengemeinden vor Ort übernommen werden können (Einrichtungen bearbeiten diese selbstständig). Auch hier können Sie jedoch im Handbuch auf Beispieltexte der Fachstelle als Grundlage zurückgreifen.

  • Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten (z.B. Präventionsbeauftragte)
  • Interventionsteam
  • Schulung und Fortbildung
  • Präventives Personalmanagement
  • Vernetzung
  • Öffentlichkeitsarbeit
  • Beschwerdemanagement

Auf allen Ebenen (Kirchengemeinde, Dekanatsbezirk, Einrichtung) führen Sie eine Risiko- und Potentialanalyse durch und erarbeiten bzw. bearbeiten dann individuell noch die folgenden Bausteine:

  • Partizipation
  • Nähe und Distanz/ Verhaltenskodex (z.B. wo findet eine Auseinandersetzung damit statt?)
  • Sexualpädagogisches Konzept
  • Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten (z.B. Ansprechperson)
  • Schulung und Fortbildung (z.B. wer muss geschult werden, wie wird Teilnahme dokumentiert etc.)
  • Präventives Personalmanagement (vor Ort)
  • Öffentlichkeitsarbeit (z.B. eigene Homepage, Gemeindebrief etc.)
  • Beschwerdemöglichkeiten (vor Ort)

Folgen Sie diesem Vorschlag, sind auf Kirchengemeindeebene nur die Bausteine Partizipation und sexualpädagogisches Konzept gänzlich neu. Alle anderen Bausteine sind entweder von der Fachstelle oder vom Dekanatsbezirk schon vorgearbeitet worden. Vor Ort setzen Sie sich dann möglichst partizipativ mit diesen Bausteinen auseinander und passen sie Ihren individuellen Gegebenheiten an.

Einrichtungen übernehmen die Bausteine der Fachstelle (siehe oben) und erarbeiten alle weiteren selbstständig. Aber auch hier gilt: schließen Sie sich mit anderen Einrichtungen zusammen oder tauschen Sie sich aus (Vernetzung), um die Arbeit zu erleichtern und um im Sinne der „best practice“ voneinander zu lernen.

Bitte beachten Sie, dass in manchen Bereichen des Schutzkonzeptes die Beteiligung der Mitarbeitendenvertretung zwingend notwendig ist. Und zwar dort, wo es um die Belange der beruflichen Mitarbeitenden geht und um eine eventuelle Anpassung des Verhaltenskodexes.

Die Mitarbeitendenvertretung als Schnittstelle zwischen Dienstgeber*in und beruflichen Mitarbeitenden ist oft die erste Ansprechpartnerin der Mitarbeitenden. Sie kann vor Ort einen wichtigen Anlaufpunkt bilden, um eine Erstberatung zu leisten und auf die entsprechenden Verfahren und Ansprechpartner*innen hinzuweisen, bzw. dabei zu unterstützen.

Alle Beispieltexte, die in diesem Handbuch enthalten sind, wurden vom Gesamtausschuss der Mitarbeitervertretungen Evangelische-Lutherische Kirche Bayern beschlossen.

Grundsätzlich ist es so, dass Sie in diesem Handbuch zu jedem Baustein folgendes finden:

Erklärtexte

Erklärtexte

In den Erklärtexten wird der jeweilige Schutzkonzeptbaustein beschrieben. Definitionen, rechtliche Bestimmungen und theoretische Grundlagen sind hier zu finden.

Beispieltexte

Beispieltexte

Die Beispieltexte sollen Ihnen bei der Bearbeitung eines Schutzkonzeptbausteins Orientierung geben. Sie können Sie als Grundlage für Ihre Anpassungen benutzten.

 

Anleitungen

Anleitungen

Die Anleitungen zu den jeweiligen Bausteinen führen Sie als Arbeitsgruppe durch den Bearbeitungsprozess. Sie beschreiben Arbeitsschritte und stellen Leitfragen.

Checklisten

Checklisten

Anhang der Checklisten können Sie nach der Bearbeitung eines Schutzkonzeptbausteins überprüfen, ob Sie alles Benötigte erstellt haben. 

Die Checklisten sind auch bei der Überprüfung der Schutzkonzepte die Grundlage für die Abnahme durch die Fachstelle.

6. Bausteine eines individuellen Schutzkonzeptes

Sie haben eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich an die Erstellung eines Schutzkonzeptes macht. In Ihrer Arbeitsgruppe sind Menschen aus verschiedenen Arbeitsfeldern und Zuständigkeitsbereichen vertreten.

Idealerweise haben Sie einen Ablaufplan erstellt. (Siehe Anhang Ablaufplan Schutzkonzepterstellung)

Jetzt sind Sie bereit, eine Risiko- und Potentialanalyse durchzuführen. Im Fragebogen zur Risiko- und Potentialanalyse (siehe Downloads) finden Sie einen Vorschlag, wie dies konkret gestaltet werden kann.

Vorlage Ablaufplan Schutzkonzeptentwicklung

Vorlage Gliederung Schutzkonzept zur Erarbeitung eines individuellen Schutzkonzepts

Fragebogen für die Risiko- und Potentialanalyse

6.1 Risiko- und Potential-Analyse

Die Risiko- und Potentialanalyse ist das Fundament Ihres individuellen Schutzkonzeptes. Sie schauen sich mithilfe des Fragebogens (siehe Downloads) Ihre Arbeitsfelder, Zielgruppen und Zuständigkeiten an. Wo liegen Risiken? Wo wird es Täter*innen leichtgemacht? Und wo liegen schützende Potentiale? Wo sind schon schützende Maßnahmen da, die erhalten oder ausgebaut werden müssen?

Scheuen Sie sich nicht, auch unangenehme Erkenntnisse aufzunehmen. Ihre Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) wird nur dann zu einem möglichst sicheren Ort, wenn Sie genau hinschauen und analysieren. Nur wenn Sie erkennen, wo die Gefahr der Grenzverletzung oder sexualisierten Gewalt liegt, können Sie Verbesserungen vornehmen.

Grundsätzlich gilt:

  • Nirgendwo ist schon alles perfekt und nirgendwo ist alles im Argen.
  • Seien Sie schonungslos in Ihrer Analyse. Setzen Sie sich realistische, umsetzbare und gleichzeitig gewissenhafte Ziele für die Umsetzung der Maßnahmen.
  • Ihre Sensibilität für das Thema ist bereits ein großer Schutz für Ihr Umfeld.

Die Risiko- und Potentialanalyse macht die gesamte Arbeitsgruppe, damit alle Arbeitsfelder und Zuständigkeitsbereiche bedacht werden. Aber auch andere Personengruppen können an dieser Stelle gut einbezogen werden. Je mehr Menschen analysieren, desto aussagekräftiger sind die Ergebnisse.

Bevor Sie den Fragebogen austeilen, überlegen Sie:

  • Müssen Fragen noch angepasst, weggelassen, hinzugefügt oder konkretisiert werden?
  • Wer übernimmt die Moderation/Anleitung für die Bearbeitung des Fragebogens?

Der Fragebogen mit den zusammengeführten Antworten ist die Grundlage für die Weiterarbeit.

Fragebogen für die Risiko- und Potentialanalyse

Beispieltext Risiko- und Potentialanalyse

Anleitung zur Verwendung des Fragebogens

Das Ziel des Fragebogens ist, sich die aktuelle Situation in der Kirchengemeinde oder im Dekanatsbezirk zu vergegenwärtigen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Er kann als Ist-Stand-Bestimmung betrachtet werden und verdeutlicht, welche Ressourcen (Potentiale) im Bereich Prävention sexualisierter Gewalt schon vorhanden sind und an welchen Punkten gearbeitet werden sollte (Risiken). Gleichzeitig kann er auch immer wieder als Überprüfung genutzt werden.

Wichtige Vorüberlegung:

Die AG Steuerung/ Schutzkonzepte der Kirchengemeinde/ des Dekanatsbezirks sollte sich überlegen:

Allgemein:

  • Welche Zielgruppen sollen zusätzlich zur AG mit eingebunden werden bzw. durch wen werden sie in der AG repräsentiert?
  • Brauchen einzelne Zielgruppen eine andere oder eine ergänzende Methode? (z.B. auf Grund des Alters oder weil nur ein bestimmter Teilbereich analysiert werden soll)

Zum Fragebogen:

  • Müssen Fragen noch angepasst, weggelassen, hinzugefügt oder konkretisiert werden?
  • Wer übernimmt die Moderation/Anleitung für die Bearbeitung des Fragebogens?

Wie konkret mit dem Fragebogen arbeiten?

  1. Lesen: Teilen Sie den Fragebogen an alle Beteiligten aus und geben Sie Zeit zum Lesen.
  2. Einschätzung: Jede Person beantwortet den Fragebogen für sich selbst.

Dabei gilt folgendes:

  • „Ja“ = vorhanden, bzw. völlige Zustimmung
  • „Ja, aber…“ = vorhanden bzw. eingeschränkte Zustimmung, da Bedenken vorhanden sind.
  • „Nein“ = nicht vorhanden bzw. keine Zustimmung
  • „Keine Info“ = ich habe keine Information darüber.

Austausch: Kommen Sie über Ihre Antworten ins Gespräch. Finden Sie konkrete Beispiele aus Ihrer Praxis, woran Sie die Beantwortung festmachen.

  1. Achten Sie auf eine vertrauensvolle Atmosphäre und einen geschützten Rahmen (Machen Sie im Vorfeld noch einmal auf Gesprächsregeln aufmerksam).

Konkret: Vergleichen Sie die Antworten miteinander. Arbeiten Sie an diesem Punkt mit einem neuen, leeren Fragebogen. Sollte es zu einer gleichen Antwort der Gruppe kommen, tragen Sie diese auf den neuen Fragebogen ein. Falls Sie zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen, ist die Antwort auf „Nein“ zu setzen.

Der Fragebogen mit den zusammengeführten Antworten ist in Kombination mit den Ergebnissen der Methoden, die Sie für verschiedene beteiligte Zielgruppen genutzt haben, die Grundlage für die Weiterarbeit.

Weiterarbeit mit den Ergebnissen der Risiko- und Potentialanalyse:

  1. Priorisierung und Maßnahmen:

Was muss getan werden, um in allen Punkten zu einem „Ja“ zu kommen bzw. wie können erkannte Risiken durch Regelungen transparent gemacht werden? Beschreiben Sie dazu konkrete Maßnahmen. Legen Sie darin eine Reihenfolge/Themenwächter*innen und einen Zeitplan der Umsetzung fest. Bei der Erstellung priorisieren Sie Maßnahmen, die große Risiken minimieren und solche, die Sie leicht umsetzen können.

  1. Einarbeitung ins individuelle Schutzkonzept:
  • In der Anleitung zu den jeweiligen Bausteinen im Handbuch Schutzkonzeptentwicklung wird immer wieder auf die Ergebnisse der Auswertung der Risiko- und Potentialanalyse zurückgegriffen. Bewahren Sie daher die Ergebnisse der Auswertung für den Prozess auf.
  • Halten Sie Ihre Maßnahmen an den thematisch passenden Stellen für das Schutzkonzept fest.

Wenn Sie die Risiko- und Potentialanalyse durchgeführt haben, sind Sie einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu Ihrem individuellen Schutzkonzept gegangen. Die weiteren Schritte sind im Handbuch Schutzkonzeptentwicklung festgehalten.

Räumlichkeiten vor Ort

Ein wichtiger Punkt in der Risiko- und Potentialanalyse und somit später auch in Ihrem Schutzkonzept sind die Räumlichkeiten vor Ort. In unserer kirchlichen Arbeit sind sie Orte für Gemeinschafts- und Glaubenserfahrung, Beratung, Begegnungen oder Betreuung und vieles mehr. Oft können wir sie bis zu einem gewissen Grad gestalten, manchmal haben wir wenig Einfluss auf sie. Immer wieder gewöhnen wir uns so sehr an die Räume, in denen wir uns aufhalten, dass wir sie gar nicht mehr genau wahrnehmen.

Nehmen Sie deswegen Ihre Räumlichkeiten aus unterschiedlichen Perspektiven genau in den Blick. Arbeiten Sie dabei, wenn möglich, partizipativ und beteiligen unterschiedliche Zielgruppen. Reflektieren Sie anhand der konkreten Fragen in der Risiko- und Potentialanalyse, welche Möglichkeiten aber auch welche Risiken Ihre Räume und Ihr gelebter Umgang mit ihnen haben. Formulieren Sie aus den gewonnenen Erkenntnissen Maßnahmen und ordnen Sie sie den jeweiligen Baustein im Schutzkonzept zu oder fügen einen eigenen Punkt „Raumnutzung“ an.

Es gibt natürlich viel mehr Möglichkeiten und Methoden eine Risiko- und Potentialanalyse durchzuführen, wie z. B. Workshops mit verschiedenen Zielgruppen, Schreibgespräche ….

Weitere Vorschläge sind z.B. zu finden auf der Homepage des Erzbistum Berlin: Broschüre Schutzkonzept

Halten Sie in Ihrem Schutzkonzept fest:

  • den angepassten Textbaustein Risiko- und Potential-Analyse
  • wann die Risiko- und Potentialanalyse durchgeführt wurde
  • welche Arbeitsbereiche daran beteiligt waren

6.2 Leitbild zum Umgang mit sexualisierter Gewalt

Im Leitbild zum Umgang mit sexualisierter Gewalt einer Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) zeigen sich Ihre Werte und Ziele. Es kann mit einem Gesamtleitbild verbunden werden oder auch einzeln stehen. Es nimmt Stellung zu einer Kultur der Achtsamkeit im Umgang mit allen anvertrauten Personen und Mitarbeitenden. Es wird eindeutig Position bezogen, dass sexualisierte Gewalt keinen Raum haben darf und alle Anstrengungen unternommen werden, den Schutz vor Grenzverletzungen und Übergriffen sicherzustellen.

Im Leitbild wird beschrieben, welche Maßstäbe sich eine Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) selbst setzt; nach welchen Grundprinzipien gehandelt werden soll. [9] Es werden Aussagen zu verschiedenen Themen getroffen. Diese können beinhalten:

  • Art der Führung
  • Umgang mit Macht und Hierarchien
  • soziales Miteinander
  • Organisation von Abläufen
  • sexualpädagogisches Konzept, sofern die Kirchengemeinde ein solches hat
  • Umgang mit und unter Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
  • Nähe und Distanz
  • Gewaltfreiheit
  • Kinderrechte

[9] Vgl. H.O. Genz-Bideau, Leitbild(-entwicklung) in Fachlexikon der Sozialen Arbeit (2017) S. 557.

Mitarbeitende, aber auch Kinder und Jugendliche identifizieren sich stärker mit dem Leitbild, wenn sie in die Erarbeitung mit einbezogen werden.

Anleitung zur Erstellung des Leitbildes zum Umgang mit sexualisierter Gewalt:

  1. Vertraut machen:
    Wir empfehlen als ersten Schritt die Beschäftigung mit der „Kultur der Achtsamkeit“ . Lesen Sie dann den Beispieltext.
  2. Entscheidung:
    Überlegen Sie, ob Sie das Leitbild so übernehmen können. Ggf. ergänzen oder ändern Sie den Text.

Kultur der Achtsamkeit

Beispieltext Leitbild

Halten Sie in Ihrem Schutzkonzept fest:

  • das fertig formulierte Leitbild

  • wie und wo Mitarbeitende das Leitbild kennenlernen

  • wo Sie das Leitbild veröffentlichen (z.B. Homepage, …)

6.3 Partizipation

Es ist gut und wichtig, Menschen an den Entscheidungen zu beteiligen, die sie betreffen, wo immer das möglich ist. Es lohnt sich, gemeinsam mit den Zielgruppen zu überlegen, wie und wo Beteiligung möglich ist, und auch klar zu kommunizieren, wo sie nicht oder nur eingeschränkt vorhanden ist.

„Die Erfahrung, sich erfolgreich in Beteiligungsverfahren einbringen zu können, erzeugt eine offene, vertrauensvolle Atmosphäre und erleichtert es sowohl Kindern und Jugendlichen als auch Mitarbeitenden, offen Situationen anzusprechen, in denen sie Grenzüberschreitungen erlebt oder beobachtet haben. Wenn Gefühle und Bedürfnisse als grundsätzlich berechtigt akzeptiert werden, werden Grenzüberschreitungen bewusster wahrgenommen, und die Verbalisierung fällt leichter.“ [10]

[10] Auf Grenzen achten – Sicheren Ort geben, Arbeitshilfe für Kirche und Diakonie bei sexualisierter Gewalt, Hrsg: Diakonie Deutschland, EKD, (2014) S. 38.

Was bedeutet das praktisch?

Damit Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte im Alltag umgesetzt werden, müssen die strukturellen Voraussetzungen dafür gegeben sein oder geschaffen werden.

  • Dienststellenleitung: Wo immer es möglich ist, werden Entscheidungen partizipativ getroffen. Damit dies gelingt, wird eine Art der Kommunikation eingeübt, die freie und ehrliche Meinungsäußerung fördert.
  • Hauptberufliche und ehrenamtliche Mitarbeitende: Dienst- oder Teambesprechungen sind selbstverständlich. Aufgaben werden transparent und passend zu den Kompetenzen und Verantwortlichkeiten verteilt. Alle halten sich an gemeinsam getroffene Absprachen.
  • Menschen aus den Zielgruppen: Sie wissen um ihr Recht, gehört und einbezogen zu werden. Entscheidungen, die sie betreffen, werden mit ihnen getroffen, und der Ablauf wird transparent gemacht. Formate wie Mitgliederkonferenzen, Jugendausschuss, oder Kinder- und Jugendvertreter*innen im Kirchenvorstand unterstützen dies.

Wichtig ist: Eine Beteiligungskultur muss vorgelebt werden. Kinder und Erwachsene spüren gleichermaßen, ob ihre Meinung ernstgenommen und wertgeschätzt wird, oder ob ihre Vorschläge nur pro forma angehört werden. Spürbar wird das im persönlichen Kontakt, im Leitbild, auf der Homepage, bei Aufrufen zur Mitarbeit und an vielen anderen Stellen.

Gut zu wissen: Die UN-Kinderrechtskonvention spricht jedem Kind das Recht zu, dass seine Meinung in Angelegenheiten, die es betreffen, gehört und berücksichtigt wird.[11] Auch in der Kirche haben Kinder, Jugendliche dieses Recht, das analog für alle Menschen gilt, also auch für Schutzbefohlene und Betroffene. Wo es noch nicht gelebte Realität ist, muss sich das ändern. Wo dieses Recht gelebte Realität ist, erleben die Menschen Selbstwirksamkeit und Bestätigung, identifizieren sich stärker mit der eigenen Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) und erleben Demokratie.

[11] „Artikel 12: Berücksichtigung des Kindeswillens

(1) Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.“

Beispiele für Partizipationsmöglichkeiten:

(Klicken sie auf die Punkte)

Mitarbeitendenkreis
Kirchenvorstand
Jugendausschuss
Kinderrat, Kinderkonferenz
Zukunftswerkstatt
Feedbackrunden
Mitbestimmung bei der Gestaltung von Räumen

Bitte beachten Sie, dass in manchen Bereichen des Schutzkonzeptes die Beteiligung der Mitarbeitendenvertretung zwingend notwendig ist. Und zwar dort, wo es um die Belange der beruflichen Mitarbeitenden geht und um die Ausgestaltung von Verhaltenskodex und Selbstverpflichtungserklärung.

Die Mitarbeitendenvertretung als Schnittstelle zwischen Dienstgeber*in und beruflichen Mitarbeitenden ist oft die erste Ansprechpartnerin der Mitarbeitenden. Sie kann vor Ort einen wichtigen Anlaufpunkt bilden, um eine Erstberatung zu leisten und auf die entsprechenden Verfahren und Ansprechpartner*innen hinzuweisen, bzw. dabei zu unterstützen.

Anleitung zum Vorgehen für den Baustein Partizipation:

Überlegen Sie:

  1. Welche Zielgruppen nehmen unsere Angebote wahr und in welcher Form beteiligen wir diese bereits partizipativ? Wo beteiligen wir sie bisher nicht?
  2. Was hat uns bisher gehindert, die jeweilige Gruppe zu beteiligen (mangelnde Zeit, fehlende Methoden, keine Notwendigkeit gesehen, anderer Führungsstil etc.)? Sind diese Faktoren noch gültig, oder möchten wir hier etwas verändern?
  3. Welche Ergebnisse der Risiko- und Potentialanalyse sollten auf jeden Fall partizipativ besprochen werden?
  4. Was wären dazu passende, niedrigschwellige Partizipationsmöglichkeiten?
  5. Auf welche dieser Formate einigen wir uns? Beschränken Sie sich zunächst auf ein bis drei Formate und erlauben Sie sich, die anderen Erkenntnisse festzuhalten und erst nach und nach in die Tat umzusetzen.

Beispieltext Partizipation

Halten Sie in Ihrem Schutzkonzept fest:

  • den angepassten Textbaustein Partizipation.

  • welche Möglichkeiten der strukturellen Partizipation es bei Ihnen gibt (z.B. Jugendausschuss, Mitarbeitendenkreis, Kirchenvorstand).

  • Themen aus dem Risiko- und Potential-Analyse-Fragebogen, an denen Sie partizipativ arbeiten wollen.

6.4 Verantwortung und Zuständigkeiten

Die Haltung der Leitung zum Umgang mit sexualisierter Gewalt ist entscheidend. Misst sie dem Thema große Bedeutung zu, werden sich auch die anderen Menschen vor Ort intensiver mit Prävention sexualisierter Gewalt befassen.

Außerdem kann die Art der Leitung selbst präventiv wirken. Wo die Leitung liegt, liegt auch die Macht. Mit dieser muss verantwortlich umgegangen werden, weil Machtgefälle immer das Risiko des Missbrauchs bergen. Machtgefälle können nicht per se verhindert werden, aber man kann transparent und sensibel mit ihnen umgehen. Wenn beispielsweise anschaulich gemacht wird, wie Entscheidungen getroffen werden und wo welche Kompetenzen liegen, verringert das die Gefahr des Machtmissbrauchs. Darüber hinaus kann die Leitung wesentlich dazu beitragen, dass eine Atmosphäre entsteht, in der kritische Rückfragen erlaubt sind, in der es Möglichkeiten der Beschwerde gibt, in der Menschen um ihre Rechte wissen und mit Fehlern offen umgegangen wird. Wo die Leitung eine Kultur der Achtsamkeit lebt beziehungsweise unterstützt, ist dies ein wichtiger Beitrag zu gelingender Prävention.

Zur Leitungsverantwortung gehört auch die Anfertigung des individuellen Schutzkonzeptes. Das heißt, die Dienststellenleitung trägt die Verantwortung, dass es erstellt wird.

Die Leitung soll…

  • eine Arbeitsgruppe Schutzkonzept ins Leben rufen
  • selbst Mitglied der Arbeitsgruppe Schutzkonzept sein
  • zeitliche (und personelle) Ressourcen zur Verfügung stellen für die Erarbeitung, für die Auswertung und möglicherweise später notwendige Anpassungen
  • dafür sorgen, dass möglichst viele verschiedene Perspektiven und Blickwinkel einbezogen werden (Partizipation)
  • den Ablaufplan im Blick behalten
  • die schriftliche Version des individuellen Schutzkonzeptes an die Fachstelle zum Umgang mit sexualisierter Gewalt der ELKB mailen (praevention@elkb.de)
  • das Schutzkonzept immer wieder überprüfen und aktualisieren

Bei aller Leitungsverantwortung gilt aber auch: Leitungsverantwortliche sollen mit der Präventions- und Interventionsarbeit vor Ort nicht allein gelassen werden. Überlegen Sie deshalb: Gibt es Menschen in Ihrem Umfeld, die sich als Präventionsbeauftragte oder Ansprechpersonen eignen würden?

Präventionsbeauftragte und Ansprechpersonen müssen nicht in jeder Kirchengemeinde oder Institution einzeln berufen sein. Regionen können sich zusammenschließen. Dies können kleine Dekanatsbezirke, Regionen eines Dekanatsbezirkes oder auch Gemeindeverbünde sein.

Ansprechperson

Die Ansprechperson ist vor allem für Betroffene von sexualisierter Gewalt als Erstkontaktmöglichkeit vor Ort da. Betroffene können sich an sie wenden, um bei der Klärung ihrer Situation Unterstützung zu bekommen und nach Handlungsmöglichkeiten vor Ort zu schauen. Aufgabe der Ansprechperson ist also zugewandtes, aktives Zuhören und niederschwelliges Clearing. Vor allem bedeutet das, dass die Ansprechperson Betroffene an geeignete Stellen weiterleitet: die Ansprechstelle der Fachstelle der ELKB, das Hilfetelefon der zentralen Anlaufstelle.help, sowie regionale Fachberatungsstellen.

Wenn möglich, sollen zwei Personen berufen werden; idealerweise verschiedenen Geschlechts, davon eine ehrenamtliche und eine hauptberufliche Person.

Hier kann es sinnvoll sein, sowohl eine Person vor Ort in der Kirchengemeinde (Einrichtung) zu benennen als auch eine überregionale Person.

Präventionsbeauftragte*r

Präventionsbeauftragte sind Themenwächter*innen. Sie haben die Aufgabe darauf zu achten, dass die Schutzkonzepte zur Prävention sexualisierter Gewalt gelebt und weiterentwickelt werden und nicht in der Schublade verschwinden. Sie achten auf die Gültigkeit des Interventionsleitfadens und sind selbst Mitglied des Interventionsteams. Sie machen die offiziellen Meldewege bekannt, werben für Beratungs-, Informations- und Fortbildungsangebote und initiieren sie gegebenenfalls selbst. Auf Anfrage kann die*der Präventionsbeauftragte den Prozess der Erstellung des individuellen Schutzkonzepts begleiten und beraten.

Idealerweise ist diese Person eine*einer Hauptberufliche*r. Aber auch besonders geeignete Ehrenamtliche können für diese Aufgabe berufen werden.

Eine Möglichkeit ist, diese Beauftragung im Rahmen der anderen Beauftragungen des Dekanats zu vergeben. Es kann jedoch sinnvoll sein, mehr als eine Person zu benennen/berufen.

Anleitung zum Vorgehen für den Baustein Verantwortung und Zuständigkeiten:

  1. Vergegenwärtigen Sie sich die Aufgabenbeschreibungen für Ansprechpersonen und Präventionsbeauftragte.
  2. Als Kirchengemeinde informieren Sie sich bitte, wer Präventionsbeauftragte*r für den Dekanatsbezirk ist.
  3. Diskutieren Sie, wie es für Sie in Ihrer Struktur, mit Ihren Ressourcen, machbar ist, die Rolle der Ansprechpersonen zu besetzen. Wenn eine Besetzung vor Ort nicht möglich ist, besprechen Sie die Möglichkeit auf regionaler Ebene.
  4. Fragen Sie mögliche Kandidat*innen für diese Aufgabe an.
  5. Stehen Kandidat*innen für die Aufgabe zur Verfügung, sollen sie durch ihr zuständiges Leitungsgremium offiziell berufen werden.
  6. Führen Sie ein Beauftragungsgespräch mit der Ansprechperson (Einrichtungen und Dekanatsbezirke auch mit der*dem Präventionsbeauftragten), in dem Sie die Aufgaben verdeutlichen. Informieren Sie sie über die Fortbildungsmöglichkeiten der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt, im speziellen die Einführungsseminare und über die Anbindung zur Fachstelle.
  7. Beraten Sie, über welche Kommunikationsmöglichkeiten die Ansprechpersonen erreichbar sein sollen (z.B. Kummerkasten, Funktions-Emailadresse der ELKB, Prepaid-Handy).
  8. Überlegen Sie, wie alle Infos rund um die Ansprechpersonen und die damit verbundenen Beratungsmöglichkeiten kommuniziert werden, damit alle davon erfahren (Homepage, Gemeindebrief, …). Nutzen Sie gerne auch das Musterplakat im Anhang als Vorlage. 
  9. Melden Sie den Namen und die Kontaktdaten Ihrer Ansprechperson(en) und Präventionsbeauftragten der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt unter praevention@elkb.de.

Beispieltext Verantwortung

Aufgabenbeschreibungen für Präventionsbeauftragte und Ansprechpersonen

Beispielplakat für Ansprechpersonen

Halten Sie in Ihrem Schutzkonzept fest:

  • das ausgefüllte Plakat für Ansprechpersonen (siehe Downloads)

  • wie und wo Sie Informationen über die Beratungsmöglichkeiten der Ansprechpersonen kommunizieren und wie Sie die Ansprechpersonen bekannt machen wollen (Plakate, Publikationen, Homepage, persönliche Begegnungsmöglichkeit bei Veranstaltungen …)

6.5 Präventives Personalmanagement

Alle Mitarbeitenden einer Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) müssen sensibel für das Thema Prävention sexualisierter Gewalt sein. Personen sollen nicht aus Unachtsamkeit Grenzen anderer Menschen überschreiten. Täter*innen sollen keinen Zugang zu Kirchengemeinden und deren Einrichtungen erhalten. Deshalb soll Mitarbeitenden schon zu Beginn ihrer dienstlichen Tätigkeit vermittelt werden, wie wichtig der Schutz der Menschen vor sexualisierter Gewalt ist. Täter*innen werden so im Erstkontakt schon einen Widerstand spüren: „Hier würde ich es nicht leicht haben.“.

Die Verantwortung für Gewinnung und Auswahl des Personals liegt bei der Leitung. Während des Auswahl- und Einstellungsverfahrens werden die Bewerber*innen auf ihre persönliche Eignung hin überprüft. Sehr schnell sollen neue Mitarbeitende Leitbild, Organisationskultur und Schutzkonzept kennenlernen. Ihnen werden darin ihre Rechte und Pflichten klar und dass der Verhaltenskodex dieser Gemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) verbindlich ist.

Bestandteile präventiven Personalmanagements sind:

  • Personalauswahl und Einstellung
  • Vorlage des Erweiterten Führungszeugnisses gemäß §4 Abs.3 Präventionsgesetz der ELKB
  • Verhaltenskodex/Selbstverpflichtung
  • Einarbeitung, Schulung, Belehrung und Mitarbeitenden-Jahresgespräch
  • regelmäßige Thematisierung von Prävention sexualisierter Gewalt
  • Angebot von Supervision

Was bedeutet das praktisch?

Wer?
Präventives Personalmanagement hat alle beruflichen und ehrenamtlichen Personen im Blick. Nicht zu vergessen sind dabei auch befristet tätige Personen wie zum Beispiel Praktikant*innen und Hospitant*innen.

Wie?

  • Beachten Sie bereits bei der Auswahl von Mitarbeiter*innen den Aspekt des Kinderschutzes. Benennen Sie das Thema sexualisierter Gewalt. Sprechen Sie spätestens beim Bewerbungsgespräch darüber, dass man in der Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) für das Thema sensibilisiert ist.
  • Bewerbungsgespräch:
    • Machen Sie die Haltung ihrer kirchlichen Dienststelle in Bezug auf sexualisierte Gewalt gemäß ihrem Leitbild deutlich.
    • Besprechen Sie den Verhaltenskodex zum Umgang mit sexualisierter Gewalt.
    • Stellen Sie Fragen an die Bewerber*innen zu ihrer Haltung gegenüber grenzverletzendem Verhalten und zu ihrer Einstellung in Bezug auf sexualisierte Gewalt. Beispielsweise „Wie würden Sie handeln, wenn…?“, „Wie gehen Sie mit dem in der Beziehung zu Kindern entstehenden Machtgefälle um?“, „Wie reagieren Sie auf Beschwerden und Beteiligungswünsche von Kindern und Eltern?“, „Welches Wissen und welche Erfahrungen haben Sie über beziehungsweise mit (sexualisierter) Gewalt?“
  • Beachten Sie außerdem:
    • Gibt es Lücken im Lebenslauf?
    • Gibt es häufige Stellenwechsel? Wenn ja, was sind die Gründe dafür?
  • Holen Sie sich mit dem Einverständnis der Bewerber*innen Referenzen der vorherigen Arbeitgeber*innen ein.
  • Die*der Bewerber*in muss ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis[12] vor Aufnahme der Tätigkeit vorlegen.
  • Einarbeitung
    • Das Schutzkonzept ist fester, verbindlicher Bestandteil der Einarbeitung: Drücken Sie es nicht nur in die Hand des*der neuen Mitarbeitenden, sondern besprechen Sie die Inhalte mit den Mitarbeitenden.
    • Die Teilnahme an einer Basisschulung zur Prävention von sexualisierter Gewalt ist Pflicht.
    • Die neuen Mitarbeitenden lernen Verfahrensabläufe kennen. Sie bekommen vermittelt, wer wofür zuständig ist und wie die Entscheidungswege sind. Sie erfahren, dass kollegiales Nachfragen und Reflektieren zum Arbeitsalltag gehören und fester Bestandteil des kollegialen Miteinanders sind.
  • Schulung
    • Fortbildungen zum Thema sexualisierte Gewalt sind verpflichtend. Fortbildungen sollen in regelmäßigen Abständen (etwa alle fünf Jahre) aufgefrischt werden.
    • Das Mitarbeitendenjahresgespräch ist ein geeigneter Zeitpunkt, um die Themen des Schutzkonzeptes aufzunehmen. Bei Bedarf wird hier zu einer Fortbildung angeregt.
    • Gibt es einen Vorfall oder Anlass, wird das Schutzkonzept in Dienstbesprechungen einbezogen.
  • Verhaltenskodex und Selbstverpflichtung:
    • Mit ihrer Unterschrift bejahen die hauptberuflichen wie ehrenamtlichen Mitarbeitenden die Inhalte des Verhaltenskodex.
  • Dokumentation: Dokumentieren Sie …
    • die Teilnahme der Mitarbeitenden an der Basisschulung sowie an weiteren Fortbildungen zum Thema
    • die (Wieder-)Vorlage des erweiterten Führungszeugnisses.
    • bei beruflichen Mitarbeitenden ist die Personalakte der richtige Ort für die Dokumentation. Für Ehrenamtliche ist dies in geeigneter Art und Weise zu dokumentieren.
  • Supervision
    • Einzel- und Gruppen-Supervision sind ein geeigneter Ort um den Umgang miteinander sowie Fragen und konkrete Situationen zum Thema Nähe und Distanz im Arbeitsalltag zu klären. Sollte es zu Verdachtsfällen von Grenzverletzungen und/oder sexuellen Übergriffen kommen, gibt es dort die Möglichkeit sich mehr Klarheit zu verschaffen.
    • Konkrete Fälle können in der Fallsupervision besprochen werden.
    • Dafür müssen dementsprechend zeitliche und finanzielle Ressourcen für Mitarbeitende zur Verfügung gestellt werden.
  • Umgang mit Ehrenamtlichen, Praktikant*innen und Hospitierenden
    • Auch ehrenamtliche Mitarbeitende im Sinne des Ehrenamtsgesetzes (RS 802) müssen eingearbeitet und zum Thema sexualisierte Gewalt fortgebildet werden.
    • Schauen Sie sich gemeinsam den Verhaltenskodex an und lassen ihn in einer Selbstverpflichtung unterschreiben.
    • Ehrenamtliche müssen, wenn sie in ihrer Tätigkeit Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen oder anderen vulnerablen Personengruppen (wie z. B. Menschen mit Behinderungen oder Geflüchtete) haben und bestimmte Kriterien (Art, Dauer, Intensität des Kontaktes) erfüllen ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Auch wenn ihre Tätigkeit seelsorgerische Aufgaben beinhaltet (wie z. B. Besuchsdienst bei alten Menschen) ist die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses notwendig.
    • Auch für Ehrenamtliche gibt es die Möglichkeit für Supervision (ehrenamt-evangelisch-engagiert.de/supervision-fuer-ehrenamtliche/) und sollte bei Fragen zu Nähe und Distanz zur Klärung von Verdachtsfällen bei Grenzverletzungen auch genutzt werden.
  • Erweitertes polizeiliches Führungszeugnis
    • Wie bereits erwähnt müssen alle hauptberuflichen und nach bestimmten Kriterien auch ehrenamtliche Mitarbeitende ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen.
    • Grundlage dafür ist, dass Kirchengemeinden (Dekanatsbezirke, Einrichtungen) einschlägig vorbestrafte Personen keine Tätigkeit in Kontakt mit Kindern, Jugendlichen und weiteren vulnerablen Gruppen übertragen dürfen. (vgl. SGB VIII, §72a, PrävG, §4)
    • Für die Beantragung des erweiterten Führungszeugnisses bedürfen die Mitarbeitenden der Aufforderung durch die Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung).
    • Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens tragen die Bewerber*innen die Kosten dafür. Im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses übernimmt der *die Arbeitgeber*in die Kosten. Ehrenamtliche können bei der Beantragung gleichzeitig auch die Kostenfreiheit beantragen.
    • Die Vorlage der erweiterten Führungszeugnisse muss dokumentiert und regelmäßig überprüft werden und unterliegt strengen Regeln des Datenschutzes.

[12] gemäß §4 Abs.3 Präventionsgesetz der ELKB

Beispieltext Präventives Personalmanagement

Beispieltext für einen Verhaltenskodex

Musterantrag erweitertes Führungszeugnis (wird nachgereicht)

 

Anleitung zum Vorgehen für den Baustein Präventives Personalmanagement:

  1. Vergegenwärtigen Sie sich, welche Kreise von Mitarbeitenden Sie in Ihrer Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) haben.
  2. Als Kirchengemeinde: Bringen Sie in Erfahrung, ob Ihr Dekanat für Sie bereits den Baustein erarbeitet hat. Passen Sie ihn dann an die Gegebenheiten vor Ort an.
    Als Einrichtung und Dekanatsbezirk: Besprechen Sie die Inhalte unter der Überschrift Präventives Personalmanagement „Was bedeutet das praktisch?“
  3. Überlegen Sie, wie Sie jeden der Prozesse in Ihrer Struktur alltagsnah umsetzen (Bewerbung, Einarbeitung, Schulung, Verhaltenskodex, Selbstverpflichtung, erweitertes Führungszeugnis).

Halten Sie in Ihrem Schutzkonzept fest:

  • wie das Thema Prävention sexualisierte Gewalt bei Bewerbung und Einarbeitung eingebaut wird. Wichtig hierbei: Sowohl für ehrenamtliche als auch für hauptberufliche Mitarbeitende soll das Thema bei Tätigkeitsbeginn eine Rolle spielen.
  • wie in Ihrer Struktur sichergestellt wird, dass alle Mitarbeitenden an Schulungen zum Thema Prävention sexualisierter Gewalt teilnehmen und wie Sie das dokumentieren.
  • wie und wann Sie den Verhaltenskodex ins Gespräch bringen und wie der Prozess der Selbstverpflichtung inklusive Dokumentation und Aufbewahrung bei Ihnen ablaufen soll.
  • wie Sie den Prozess zur Einsichtnahme der Führungszeugnisse organisieren, wie Sie die Einsichtnahme dokumentieren und von welchen Personen Sie ein Führungszeugnis einsehen lassen.

6.6 Verhaltenskodex – Ausgestaltung von Nähe & Distanz

Unsere Arbeit ist geprägt von der Nähe zu den Menschen, die uns anvertraut sind und die uns vertrauen. Ohne diese Nähe kann Beziehungsarbeit nur schwer gelingen. Gleichzeitig sind wir in der Verantwortung, die nötige Distanz, die eine professionelle Arbeit erfordert, zu wahren. Ein Verhaltenskodex dient dabei der Unterstützung für ehrenamtliche und berufliche Mitarbeitende, professionelle Beziehungen im Hinblick auf ein angemessenes Nähe-Distanz-Verhältnis und einen respektvollen Umgang miteinander regelmäßig zu reflektieren.

Ein Verhaltenskodex benennt Verhaltensgrundsätze, die in dieser Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) gelten. Er dient als Orientierungsrahmen für einen achtsamen und grenzachtenden Umgang miteinander. Neben den Verhaltensgrundsätzen formuliert er auch Regelungen für Situationen, die für sexualisierte Gewalt und jegliche Form der Grenzüberschreitung ausgenutzt werden können.

Der Verhaltenskodex muss allen Mitarbeitenden bekannt sein, regelmäßig auf seine Wirksamkeit hin überprüft werden und gegebenenfalls weiterentwickelt werden. Die Mitarbeitenden sollen den Verhaltenskodex unterschreiben und so für sich als verbindlich erklären.

Der Verhaltenskodex dient auch als Grundlage, um für die verschiedenen Zielgruppen, Arbeitsformen und Angebotsformate konkrete Regelungen für Handlungsabläufe abzuleiten (z. B. für Konfifreizeiten, Besuchsdienste, Seelsorgegespräche).

Wenn es um die Ausgestaltung von Nähe und Distanz geht, kann die Voice-, Choice- und Exit-Option hilfreich sein.

Verhaltensregeln für den digitalen Raum

Prävention sexualisierter Gewalt muss in der heutigen Zeit auch den digitalen Raum einschließen. Der zunehmende Gebrauch von digitalen Medien hat die Art und Weise verändert, wie Menschen miteinander kommunizieren und interagieren.

Neben allen damit verbundenen Möglichkeiten birgt der digitale Raum Risiken. Beispielsweise werden Messenger immer wieder für übergriffige Kommunikation und Onlinedienste als Ort für Cybergrooming genutzt oder digitale Medien wie Fotos oder Videos verwendet, um Druck auszuüben.

Daher ist es von entscheidender Bedeutung, klare Regeln und Leitlinien zu haben, um die Ihnen anvertrauten Menschen vor Grenzverletzungen, sexualisierter Gewalt und deren Anbahnung im und über den digitalen Raum zu schützen. Diskutieren Sie deshalb, auf welche Leitplanken Sie sich für die digitale Kommunikation und den Austausch privater Daten und Medien verständigen wollen.

Eine gute Informationsquelle ist zu diesem Thema die Seite der UBSKM der Bundesregierung:

https://beauftragte-missbrauch.de/themen/schutz-und-praevention/schutz-im-digitalen-raum

Voice-, Choice- und Exit-Option

Die Kultur der Achtsamkeit beschreibt zum Schutz der Rechte von Kindern und Jugendlichen die sogenannte Choice-, Voice- und Exit-Option.[13] Wir erweitern dies als ELKB auf alle Menschen, die uns vertrauen.

Voice meint das Recht, die eigene Stimme zu erheben, Wünsche und Bedürfnisse äußern zu können, aber auch Kritik und Änderungsvorschläge mitzuteilen, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen.

Choice bedeutet, dass die betreffende Person immer die Wahl haben muss, ob sie sich in der Situation befinden will oder nicht.

Exit bietet den Anwesenden die Möglichkeit, jederzeit aus einer Situation aussteigen zu können. Diese Option sichert, dass Grenzen der Einzelnen gewahrt werden. Ein vereinbartes Zeichen wie „Stopp, das mag ich nicht“ kann dabei genauso hilfreich sein wie die „Kultur der offenen Tür“ in Gruppenräumen.

[13] Oppermann et al. (Hg.), Lehrbuch Schutzkonzepte in pädagogischen Einrichtungen, 2018, S. 41ff.

Anleitung zum Vorgehen für den Baustein Ausgestaltung von Nähe und Distanz:

  1. Vertraut machen:
    Lesen Sie den Beispieltext Nähe und Distanz, den Verhaltenskodex, sowie die Verhaltensregeln für den digitalen Raum (Anhang).
  2. Entscheidung:
    Überlegen Sie, ob Sie die Texte so übernehmen können. Ggf. ergänzen oder ändern Sie sie.
  3. Anregung zur Diskussion:
    Wo ein Punkt oder mehrere der Voice-, Choice und Exit-Optionen nicht gegeben sind, weil beispielsweise Veranstaltungen verpflichtend sind (z.B. der Konfikurs, oder noch klarer: in der Schule), ist es umso wichtiger, dass die verbleibende(n) Option(en) gewahrt werden. Überlegen Sie: Wie tragen wir bei zu einer Kultur und Atmosphäre bei, in der sich Kinder und Jugendliche, aber auch alle anderen Menschen trauen, „den Mund aufzumachen“. Was könnten Verhaltensleitsätze dafür sein?

 

Beispieltext Nähe und Distanz

Beispieltext für einen Verhaltenskodex

Beispieltext für Verhaltensregeln im digitalen Raum

Halten Sie in Ihrem Schutzkonzept fest:

  • den (ggf. angepassten) Textbaustein zum Thema „Nähe und Distanz“
  • den für Ihre Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) übernommenen oder angepassten Verhaltenskodex

  • Ihre Verhaltensregeln für den digitalen Raum
  • wie alle Mitarbeitenden den Verhaltenskodex kennenlernen und ihn unterschreiben

  • wann Sie Inhalte aus dem Verhaltenskodex thematisieren und wann Sie Ihre Verhaltensregeln für den digitalen Raum besprechen wollen. (z.B. in Teambesprechungen, vor Freizeitmaßnahmen, im Besuchsdienstkreis…)

6.7 Schulung und Fortbildung

Um die uns vertrauenden Menschen bestmöglich vor sexualisierter Gewalt zu schützen, ist es nötig, dass Mitarbeitende in unserer Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) für dieses Thema sensibilisiert sind. Sie müssen wissen, was sexualisierte Gewalt ist, welche Strategien Täter*innen verfolgen, welche Risikofaktoren sexualisierte Gewalt begünstigen, was Grundsätze im Kontakt mit Betroffenen sind und was zu tun ist, wenn ein Verdacht im Raum steht. Zur Teilnahme an Schulungen und Fortbildungen zum Thema Prävention sexualisierter Gewalt sind alle beruflichen und ehrenamtlichen Mitarbeitenden verpflichtet. Im individuellen Schutzkonzept ist beschrieben, welche Inhalte wann durch wen an welche Zielgruppe vermittelt werden.

Was bedeutet das praktisch?

  • Für die Kinder- und Jugendarbeit bieten viele Jugendwerke oder Jugendringe ehrenamtlich Tätigen ab 15 Jahren die Teilnahme an Grundkursen an. In diesen sogenannten Juleica-Schulungen[14] sind die Themen Schutz vor sexualisierter Gewalt und Kinderschutz ein fester Bestandteil.
  • Schulungen und Fortbildungen zum Thema Prävention sexualisierter Gewalt können von verschiedenen Mitarbeitenden in regionalen Fachstellen, der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt der ELKB oder Multiplikator*innen durchgeführt werden. Wir empfehlen, dass Gemeindeverbünde, Kirchengemeinden und/oder Dekanatsbezirke Multiplikator*innen aus ihrer Mitte benennen und ausbilden lassen, um die Schulung ihrer Mitarbeitenden in den Gemeinden sicherzustellen. Eine Möglichkeit ist, hier auch eine Kooperation mit den Erwachsenenbildungswerken vor Ort anzustreben.
  • Insbesondere sind im Rahmenschutzkonzept Schulungen für Leitungsverantwortliche genannt. Dies beinhaltet neben einer Basisschulung vor allem die Themen Personalverantwortung und Intervention.
  • Ansprechpersonen und Präventionsbeauftragte aus den Kirchengemeinden und Dekanaten erhalten ein Einführungsseminar und sollen an den jährlichen Vernetzungstreffen teilnehmen, welche von der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der ELKB angeboten werden.

Multiplikator*innen

Multiplikator*innen führen vor allem Basisschulungen zum Umgang mit sexualisierter Gewalt durch. Kirchengemeinden (Dekanatsbezirke, Einrichtungen) sind dazu verpflichtet, ihre beruflichen und ehrenamtlichen Mitarbeitenden regelmäßig fortzubilden und Wissen aufzufrischen. Dafür braucht es regionale Multiplikator*innen. Diese erhalten von der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der ELKB eine Ausbildung sowie ausgearbeitetes Schulungsmaterial. Wenn die Multiplikator*innen von einem Rechtsträger der ELKB beauftragt sind, übernimmt dieser die Kosten für die Aus- und Fortbildung des*der Multiplikator*in.

[14] Die Juleica-Schulung ist die Basis für ehrenamtliches Engagement in der Jugendarbeit. Beim Abschluss dieser Schulung können Ehrenamtliche in der Jugendarbeit die Jugendleiter*in-Card beantragen. Sie ist ein einheitlicher und bundesweit gültiger Ausweis für ehrenamtliche Mitarbeitende in der Jugendarbeit. Sie dient zum einen der Legitimation und als Qualifikationsnachweis, zum anderen aber auch als Anerkennung für das ehrenamtliche Engagement.

Anleitung zum Vorgehen für den Baustein Schulung und Fortbildung:

  1. Wir empfehlen, zunächst eine Liste aller Personengruppen zu erstellen, die in den unterschiedlichen Bereichen Ihrer Kirchengemeinde (Ihres Dekanatsbezirkes, Ihrer Einrichtung) tätig sind.
  2. Vergegenwärtigen Sie sich anhand der Liste aus dem Anhang, zu welchen Inhalten Ihre Mitarbeitenden geschult werden sollen.
  3. Als Kirchengemeinde: Bringen Sie in Erfahrung, ob Ihr Dekanatsbezirk den Baustein Schulung und Fortbildung entwickelt hat und passen Sie diesen ggf. an.
    Als Einrichtung: Überlegen Sie, ob es Kooperationspartner*innen gibt, mit denen Sie Schulungen und Fortbildungen gemeinsam planen und umsetzen können.
  4. Sprechen Sie ggf. Personen an, die geeignet wären, sich als Multiplikator*innen fortbilden zu lassen.

Beispieltext für Schulung und Fortbildung

Halten Sie in Ihrem Schutzkonzept fest:

  • den angepassten Textbaustein zum Thema „Schulung und Fortbildung“
  • dass alle Mitarbeitenden, unabhängig davon, ob sie ehrenamtlich oder beruflich aktiv sind, eine Schulung zum Thema Prävention sexualisierter Gewalt benötigen
  • wie Sie sicherstellen, dass alle Mitarbeitenden eine Schulung erhalten und dass Sie die Teilnahme dokumentieren
  • Ihre Regelung für neue Mitarbeitende

6.8 Sexualpädagogisches Konzept für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

Zum Thema Sexualität sprachfähig zu werden ist das Ziel eines sexualpädagogischen Konzepts. Erst wenn Kinder, Jugendliche und Mitarbeitende über Sexualität sprechen können, erleichtert es allen Beteiligten Grenzverletzungen und übergriffiges Verhalten mit den eigenen Worten zu benennen. Solch eine sprachliche Unterstützung trägt viel zur Aufdeckung von sexualisierter Gewalt bei.

Ein sexualpädagogisches Konzept beschreibt den Umgang miteinander in allen Bereichen der Sexualität: Wie leben wir unsere Beziehungen? Welche Sprache sprechen wir, wenn wir über Sexualität, Geschlecht etc. reden? Welche Werte verbinden wir mit Sexualität? Wo fördern wir bewusst die Auseinandersetzung mit dem Thema Sexualität?

Wenn Sie mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, brauchen Sie ein sexualpädagogisches Konzept. Die Ausdifferenzierung sexueller Verhaltensmuster sowie die Integration der sexuellen Orientierung stellen zentrale Entwicklungsschritte in dieser Lebensphase dar. Deshalb haben Kinder und Jugendliche ein Recht auf sexuelle Bildung. Das heißt in der Praxis, Kinder und Jugendliche einfühlsam zu begleiten und ihnen Informationen in allen Phasen ihrer Entwicklung anzubieten. Sexuelle Bildung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist mehr eine Frage der Haltung zur ganzheitlichen Entwicklung der Sexualität von Kindern und Jugendlichen als eine Frage von Methoden und lässt sich mit „Zuhören – Hinsehen – Miteinander sprechen“ umschreiben.

Die Entwicklung und Einführung eines sexualpädagogischen Konzepts setzt Wissen über Sexualität voraus. Dabei ist die Akzeptanz sexueller Vielfalt eine Grundvoraussetzung. Alle sollen selbstbestimmt ihre Sexualität so leben, wie es ihren Bedürfnissen und Neigungen entspricht, ohne dabei Diskriminierung fürchten zu müssen, soweit die Intimität und Grenzen anderer respektiert werden. Wird mit Kindern und Jugendlichen in einem vertrauensvollen Rahmen über Sexualität gesprochen, steigt auch das Zutrauen, über schambesetzte und schwierige sexualitätsbezogene Themen zu sprechen.

Themen und Inhalte Sexueller Bildung:

  • Akzeptanz des eigenen Körpers
  • Wahrnehmung eigener Grenzen und Bedürfnisse, Respekt vor den Grenzen und Bedürfnissen anderer
  • Akzeptanz der Unterschiedlichkeit der Geschlechter und der sexuellen Orientierung
  • Bewusstsein für die Unterschiedlichkeiten von Geschlechtsidentitäten
  • Aufbau und Pflege eines gleichberechtigten Verhaltens gegenüber männlichen, weiblichen und diversen Menschen
  • ­Entwicklung eines reflektierten Umgangs mit der Darstellung von Sexualität und Geschlechterrollen in den Medien

Menschen sind sexuelle Wesen von Geburt an, somit ist Sexualität ein Thema jedes Lebensalters. Die Schwerpunkte sind dabei naturgemäß in jedem Lebensalter andere: von Neugier und Unbefangenheit im (Klein-) Kindalter, über Körperwissen und biologische Veränderungen in der frühen Pubertät, Verhütung, Persönlichkeitsentwicklung, Sinnlichkeit, bis hin zu Körperveränderung im Alter.

Kinder „… brauchen […] Orientierung und Antworten auf ihre Fragen, damit sie in diesem wichtigen Entwicklungs- und Bildungsbereich nicht allein gelassen sind. Sie werden ermutigt, ihre eigenen Gefühle, Bedürfnisse und Grenzen wahrzunehmen und gegenüber anderen deutlich zu machen. Sie sollen erfahren, dass andere Kinder und Erwachsene Grenzen ernst nehmen und respektieren. Die Mitarbeitenden verhalten sich den Kindern gegenüber achtsam und einfühlsam. Im Umgang wahren sie die persönliche Grenze und Intimsphäre…“ eines jeden Kindes.[15]

Auch Mitarbeitende, gleichgültig ob beruflich oder ehrenamtlich, sind sexuelle Personen. Sie alle haben unterschiedliche Prägungen und Erfahrungen im Lauf ihres Lebens gesammelt. Diese schlagen sich in ihren persönlichen Haltungen, im Umgang mit Sexualität, in Werten und Normen nieder. Um auch hier einen professionellen Umgang zu finden ist es erforderlich, sich dessen bewusst zu sein und die eigenen Prägungen zu reflektieren.

[15] BBSK EvKiTa 2022

Beispiele für mögliche Gelegenheiten der Auseinandersetzung mit dem Thema Sexualität:

  • im Kindergottesdienst (Was mag ich? Gott kennt und liebt mich, wie ich bin…)
  • in der Jugendarbeit (Themenabend bei einer Freizeit, Workshop bei Trainee-Wochenenden)
  • im Konfikurs (Einheit zu Sexualität als Geschenk Gottes, körperliche Selbstbestimmung, Diversität)
  • bei einer Dekanatssynode

Anleitung zum Vorgehen für den Baustein Sexualpädagogik:

  1. Machen Sie anhand Ihrer Zielgruppen- und Angebotsaufstellung in Ihrer Risiko- und Potentialanalyse bewusst, ob Sie mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, bei denen die Themen Sexualität, Körperlichkeit und Schamgefühl aufgrund ihrer (unterschiedlichen) Lebensphase und Entwicklung eine wichtige (oft nicht ausgesprochene) Rolle spielen.
  2. Überlegen Sie, ob es eventuell weitere vulnerable Zielgruppen (wie z. B. Menschen mit Behinderungen) gibt, mit denen Sie arbeiten und für die es ebenfalls sinnvoll ist, sie in ein sexualpädagogisches Konzept einzubeziehen (auch wenn es nicht durch das Rahmenschutzkonzept vorgeschrieben ist).
  3. Diskutieren Sie: Wie müssen Angebotsformen und Projekte durchgeführt werden, damit ein sensibler Umgang mit den individuellen Grenzen und Bedürfnissen Ihrer Zielgruppen gelingen kann.
  4. Überlegen Sie, in welchem Setting und wie Sie das Thema Sprachfähigkeit zu Sexualität mit Ihren Mitarbeitenden besprechen und reflektieren können.
  5. Recherchieren Sie, ob es in der Umgebung geschulte Sexualpädagog*innen gibt, die Sie für eine Fortbildung einladen können.

Beispieltext Sexualpädagogisches Konzept

Halten Sie in Ihrem Schutzkonzept fest:

  • den angepassten Textbaustein zum Thema „sexualpädagogisches Konzept“
  • wie und wann Sie das Thema Sexualität in Ihrer Struktur mit Mitarbeitenden und Zielgruppen zur Sprache bringen
  • welche Themen Sie in die Arbeit mit den entsprechenden Zielgruppen einbauen

6.9 Beschwerdemanagement

In Ihrer Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) soll ein Beschwerdeverfahren eingerichtet sein. Das Beschwerdemanagement hilft den zu Ihnen kommenden Menschen, Angehörigen und Mitarbeitenden sich mitzuteilen, wenn sie mit dem, was sie bei Ihnen erleben unzufrieden sind, etwas als unangenehm empfinden oder wenn sie verletzt wurden. Dies gilt insbesondere, wenn sie im Rahmen der kirchlichen Arbeit Grenzverletzungen oder sexuelle Übergriffe erleben. Daher sollen Ansprechpersonen innerhalb und/oder außerhalb Ihrer Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) benannt sein, an die sich die Menschen wenden können.

Ein gutes Beschwerdemanagement verbessert Ihr professionelles Handeln und schützt die Ihnen anvertrauten Personen. Es bietet die Chance, personell oder institutionell bedingte Fehler zu erkennen und daraus zu lernen.[16]

Wenn über Beschwerdewege Hinweise auf sexualisierte Gewalt eingehen, dann müssen die Verantwortlichen daraus Konsequenzen ziehen. Wichtig ist, überlegt zu reagieren und für Hilfe zu sorgen. Dies gilt sowohl für die betroffene Person, deren Sorgeberechtigte (im Fall von Kindern) als auch für Kolleg*innen, die Hinweisgeber*in und andere involvierte Personen in der Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung). Es ist für die Betroffenen wichtig und hilfreich, dass ohne unnötige Verzögerung reagiert wird. Beschwerdemanagement und Intervention gehen im Falle einer Verdachtsmeldung Hand in Hand. Sie sichern damit die Stabilität und Handlungsfähigkeit Ihrer Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung).

Ein wirkungsvolles Beschwerdemanagement muss …

  1. gut konzipiert und umgesetzt sowie
  2. regelmäßig überprüft und gegebenenfalls verbessert werden.

Welche Beschwerdemöglichkeiten Sie auch immer haben, wichtig ist, diese bekannt zu machen. Sie müssen zielgruppenorientiert und im Alltag präsent sein. Es muss festgelegt werden, wer sich vor Ort um die Beschwerden und Rückmeldungen kümmert, wie sie erfasst und bewertet werden.

Was bedeutet das praktisch?

  • Niedrigschwellig: Beschwerdesysteme sollten (auch für Kinder) gut möglich sein und anonym behandelt werden können.
  • Ernsthaft: Beschwerden müssen ernst genommen, und Vorwürfen muss nachgegangen werden. Beschwerden werden dokumentiert, um sie professionell zu bearbeiten. Keinesfalls aber werden Hinweise bagatellisiert.
  • Transparent: Wichtig ist eine zeitnahe Rückmeldung an die Berichterstattenden (sofern bekannt), wie mit der Beschwerde umgegangen wird. Missstände werden aufgedeckt und geklärt, damit eine Veränderung möglich ist.
  • Vertraulich: Um den Beteiligten einen Rahmen zu geben, innerhalb dessen sie Probleme freiwillig und ohne Ängste ansprechen können, ist es notwendig, ein verantwortliches Handeln zu garantieren und Vertraulichkeit zu wahren.[17]

Beispiele für Feedback- und Beschwerdemöglichkeiten:

  • Eine Telefonnummer für Beschwerden
  • Feedbackrunden
  • „Kummerkasten“ oder Beschwerdebriefkasten
  • Eine E-Mailadresse der Kirchengemeinde(n) für Beschwerden
  •  Mitarbeitenden-Befragungen
  • Unabhängige Anlaufstellen, z.B. Hotlines wie „Nummer gegen Kummer“ 
  •  Kontaktpersonen, z.B. Ansprechperson der Kirchengemeinde, des Dekanatsbezirks oder einer Einrichtung, Ombudsperson, ausgewiesene Mitglieder

Die Leitung der Kirchengemeinde (Dekanatsbezirks, Einrichtung) hat einige Schlüsselaufgaben: Sie stößt den Entwicklungsprozess an, stellt Ressourcen zur Verfügung, greift die Perspektiven aller Beteiligten auf und sorgt für eine beschwerdefreundliche Kultur.

[16] Vgl. Liebhardt, Hubert (2018): Beschwerdemanagement. In: Carolin Oppermann, Veronika Winter, Claudia Harder, Mechthild Wolff und Wolfgang Schröer (Hg.): Lehrbuch Schutzkonzepte in pädagogischen Organisationen. Mit Online-Materialien. 1. Auflage. Weinheim, Basel: Beltz Juventa, S. 234

[17] Vgl. Auf Grenzen achten – Sicheren Ort geben, Arbeitshilfe für Kirche und Diakonie bei sexualisierter Gewalt, Hrsg: Diakonie Deutschland, EKD, (2014) S. 39.

Anleitung zum Vorgehen für den Baustein Beschwerdemanagement:

  1. Vergegenwärtigen Sie sich anhand Ihrer ausgefüllten Risiko- und Potentialanalyse unter dem Punkt „Beschwerdemöglichkeiten“ den aktuellen Status quo zum Thema.
  2. Sammeln Sie Gegebenheiten und eingeübte Wege, über die Sie schon jetzt Feedback und eventuelle Beschwerden bekommen.
  3. Als Kirchengemeinde: Bringen Sie in Erfahrung, ob Ihr Dekanatsbezirk bereits einen Baustein Beschwerdemanagement erstellt hat, und passen Sie diesen ggf. an Ihre Gegebenheiten an. Als Einrichtung und Dekanatsbezirk: Überlegen Sie sich, welche niedrigschwelligen Beschwerde- und Feedbackmöglichkeiten Sie im Schutzkonzept verankern wollen.
  4. Binden Sie die Ansprechperson*en in Ihr Beschwerdeverfahren ein.
  5. Überlegen Sie, wie bei Ihnen eine offene Fehlerkultur gelebt werden kann. Wie können Sie eine offene und wertschätzende Aufarbeitung von Fehlern ausbauen? Was kann unterstützen, Fehler als Lernchance wahrzunehmen?

Beispieltext Beschwerdeverfahren

Möglichkeiten der Beschwerde

Halten Sie in Ihrem Schutzkonzept fest:

  • den angepassten Textbaustein zum Thema „Beschwerdemanagement“
  • welche niedrigschwelligen Beschwerdemöglichkeiten Sie einführen und umsetzen
  • wie die Beschwerdemöglichkeiten veröffentlicht werden
  • den Weg, wie in Ihrer Struktur mit Rückmeldungen und Beschwerden umgegangen wird

6.10 Intervention bei Hinweisen auf sexualisierte Gewalt

Intervention beschreibt eine geordnete und fachlich begründete Vorgehensweise zum Umgang mit Hinweisen, Wahrnehmungen oder Meldungen von Vorfällen sexualisierter Gewalt.

Leitungsverantwortliche müssen handeln, um Gefährdungen oder übergriffiges Verhalten schnellstmöglich zu beenden und weitere Gewalt zu verhindern. Der Schutz von Betroffenen und die Sicherstellung von Hilfen und Unterstützung haben dabei oberste Priorität.

Ein Interventionsleitfaden gibt Ihnen „im Falle des Falles“ Handlungssicherheit. Dieser wird von der Meldestelle der ELKB erarbeitet und Ihnen zur Verfügung gestellt.

Zentral ist: Die Verfahrensleitung liegt auf der Leitungsebene. Alle Maßnahmen müssen mit dieser Person/Ebene abgestimmt sein.

Grundsätze der Intervention sind:

  • alle Beteiligten im Blick behalten
  • keine alleinigen Entscheidungen
  • Interventionsteam/Informierten Personenkreis klein halten, um handlungsfähig zu sein

Was bedeutet das praktisch?

Das Wichtigste im Verdachtsfall ist Ruhe zu bewahren, die Sache ernst zu nehmen, zuzuhören, die Dinge vertraulich zu behandeln und weitere Schritte zu vereinbaren. Nehmen Sie Kontakt mit der Meldestelle auf und lassen Sie sich beraten.

Kontaktdaten der Meldestelle der ELKB:

Tel. 089 / 5595 – 342 oder 089 / 5595 – 676

E-Mail: meldestellesg@elkb.de

Interventionsteam:

Jeder Dekanatsbezirk, jede kirchliche Einrichtung bildet ein klar benanntes Interventionsteam. Es soll multiprofessionell besetzt sein, damit möglichst verschiedene Aspekte der Fallbearbeitung beleuchtet werden können. Dieses Team unterstützt die Leitung darin, gemeinsam das Vorgehen zu besprechen und das Vier-Augen-Prinzip sicherzustellen (mindestens zwei Personen treffen die Entscheidungen, nicht eine allein).

Zusammensetzung:

  • die Dienststellenleitung hat die Verfahrensleitung und ist geborenes Mitglied des Teams
  • die/der Präventionsbeauftragte im Dekanatsbezirk (in der Einrichtung)
  • eine Person, die für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist
  • andere Personen mit benötigten Fachexpertisen: z.B. Mitglieder einer Fachberatungsstelle, Menschen mit juristischer Kompetenz, Mitarbeitende aus dem Bereich Notfallseelsorge etc.
  • darüber hinaus, fallbezogen, eine Person, die gegenüber der beschuldigten Person weisungsbefugt ist

Wichtig sind:

  • die Klärung von Befangenheiten zu Beginn des Interventionsprozesses
  • die Verschwiegenheit der Mitglieder
  • die schriftliche Protokollierung der Schritte

Dokumentation:

Dokumentieren Sie alles, was Sie im Zusammenhang mit Verdächtigungen und Vorfällen sexualisierter Gewalt erfahren, auch wenn es sich um diffuse Hinweise handelt. Diese Informationen fließen in eine Gefährdungseinschätzung ein. Zudem können Sie eventuell in späteren arbeitsrechtlichen, strafrechtlichen und zivilrechtlichen Vorgehensweisen herangezogen werden.

Verschriftlichen Sie Ihre Beobachtungen und verwahren Sie diese an einem sicheren Ort. Sicher meint hierbei: verschlossen und vor unberechtigter Einsichtnahme geschützt.

Beratungsrecht und Meldepflicht:

Kommt es zu Verdachtsfällen, haben alle kirchlichen Mitarbeitenden immer das Recht, sich bei der Meldestelle der ELKB beraten zu lassen. Ergeben sich aus dem Sachverhalt erhärtete Hinweise auf sexualisierte Gewalt, greift die Meldepflicht. Im Regelfall läuft die offizielle Meldung über eine Leitungsperson, sie kann aber auch durch andere kirchliche Mitarbeitende oder Betroffene selbst erfolgen.

Weiterführende Informationen zum genauen Verfahren der Intervention finden Sie im Interventionsleitfaden. (Anhang 10.5)

Bewahren Sie den Interventionsleitfaden zusammen mit der ausgefüllten Anlage „Interventionsteam“ zugänglich auf und nutzen Sie im konkreten Fall die verlinkte Vorlage für den Dokumentationsbogen.

Anleitung zum Vorgehen für den Baustein Intervention bei Hinweisen auf sexualisierte Gewalt:

  1. Fragen Sie auf Dekanatsebene (bei Ihrem Träger) nach, ob es bereits ein Interventionsteam gibt (Interventionsteams sind für die Dekanatsebene oder übergeordnete Einrichtungsebenen angedacht).
  2. Passen Sie den Beispieltext Intervention ggf. für Ihre Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) an.
  3. Füllen Sie die Vorlage zum Interventionsteam aus.
  4. Recherchieren Sie Ihre Netzwerkpartner für die Unterstützung im Interventionsfall (regionale Fachstellen, Weißer Ring, zuständige Opferschutzbeauftragte der Polizei, zuständige Staatsanwaltschaft, …) und tragen Sie diese in die Vorlage ein.
  5. Diskutieren Sie, wo und wann Sie mit Ihren Mitarbeitenden das Thema Interventionsleitfaden besprechen wollen.

Beispieltext Intervention bei Hinweisen auf sexualisierte Gewalt

Dokumentationsbogen

Interventionsteam

Netzwerkpartner*innen

Interventionsleitfaden

Der Interventionsleitfaden befindet sich noch in Arbeit. Bei Fragen zum Vorgehen im Verdachtsfall wenden Sie sich bitte an die Meldestelle.

Halten Sie in Ihrem Schutzkonzept fest:

  • den ausgefüllten Textbaustein zum Thema „Intervention bei Hinweisen auf sexualisierte Gewalt“
  • die ausgefüllte Vorlage Interventionsteam
  • die ausgefüllte Vorlage Netzwerkpartner*innen

6.11 Rehabilitation von zu Unrecht beschuldigten Personen

Häufig besteht sowohl bei Hauptberuflichen als auch bei Ehrenamtlichen die Sorge, dass eine Person zu Unrecht der Ausübung sexualisierter Gewalt verdächtigt und bezichtigt wird. Auch gut durchdachte strukturelle Präventionsmaßnahmen und der beste Interventionsplan können dies letztlich nicht vollkommen ausschließen. Dennoch: Es ist für die ELKB oberste Priorität, die Unversehrtheit der ihr vertrauenden Personen an Leib und Seele sicherstellen.

Uns ist bewusst, dass Falschbeschuldigung schwerwiegende Auswirkungen auf die zu Unrecht belastete Person und deren zukünftige Zusammenarbeit bzw. Teilhabe am (kirchlichen) Leben hat. Umso wichtiger ist es, die Wahrung der Persönlichkeitsrechte im Verfahren von Beginn an einzuhalten und den Sachverhalt sorgfältig zu überprüfen und zu klären.

Was also, wenn jemand zu Unrecht beschuldigt wurde? Wenn ein Verdacht nach sorgfältiger Prüfung vollständig ausgeräumt ist, dann muss die zu Unrecht beschuldigte Person rehabilitiert werden. Dies ist Aufgabe der/des Dekans*in (verantwortliche Person des Rechtsträgers). Hier sind – je nach Konstellation und Lage des Falles (z.B. Fehlinterpretationen, Abschluss polizeilicher Ermittlungen, absichtliche Falschbehauptungen) – unterschiedliche Maßnahmen erforderlich. Eine gemeinsame Erarbeitung erfolgt mit der/dem zu Unrecht Beschuldigten gemeinsam. Die Rehabilitation ist in einem solchen Fall noch Teil des Interventionsverfahrens.

Ziel der Rehabilitation ist:

  • die Wiederherstellung des guten Rufs der zu Unrecht verdächtigen Person,
  • die Wiederherstellung einer Vertrauensbasis innerhalb der Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung)
  • die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der zu Unrecht beschuldigten Person im Hinblick auf die ihr anvertrauten Personen

Was bedeutet das praktisch?

Sollte sich ein Vorwurf nach ausgiebiger Untersuchung als unbegründet erweisen, werden die notwendigen Schritte eingeleitet. Eine Garantie für vollständige Rehabilitation kann leider nicht gegeben werden, die deutliche Bemühung dazu muss aber erkennbar sein.

So gehen Sie vor:

  • Das Interventionsteam berät und begleitet auch diesen Schritt. Handelnd sind Leitungsverantwortliche und weisungsbefugte Personen.
  • Lassen Sie sich in der Meldestelle der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der ELKB beraten.
  • Beachten Sie datenschutzrechtliche und arbeitsrechtliche/dienstrechtliche Vorgaben, was gesagt werden darf und was nicht.
  • Die beschuldigte und die betroffene Person müssen über das eingeleitete Rehabilitierungsverfahren informiert werden.
  • Hinweisgebende Personen sind darin zu bestärken, dass es richtig war, sich in Verdachtsfällen an die Leitungsperson zu wenden.
  • Maßnahmen zur Rehabilitation der zu Unrecht beschuldigten Person werden durchgeführt (z.B. Absprachen zur Weiterarbeit an der vorherigen Stelle, Klärung von Einzel- und Teamsupervision, Durchführung eines Elternabends, öffentliche Stellungnahme als Pressemeldung).
  • Informieren Sie gegebenenfalls das beteiligte Umfeld nach Absprache mit der zu Unrecht beschuldigten Person. Dabei geht es darum, eindeutig Stellung zu beziehen, dass der Verdacht ausgeräumt wurde.
  • Beziehen Sie immer die für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständige Person mit ein.
  • Informieren Sie die Öffentlichkeit nur nach Absprache mit der zu Unrecht beschuldigten Person, zum Beispiel durch eine Pressemitteilung. Lassen Sie sich in Bezug auf Pressemitteilungen immer beraten. Sie können sich gerne durch die Presse- und Öffentlichkeitsstelle im Landeskirchenamt beraten lassen.

Anleitung zum Vorgehen für den Baustein Rehabilitation:

  1. Lesen Sie den Beispieltext und machen Sie sich mit ihm vertraut. 
  2. Übernehmen Sie den Text bzw. passen Sie ihn ggf. an Ihre Gegebenheiten an.

Textbaustein Rehabilitation von zu Unrecht beschuldigten Personen

Halten Sie in Ihrem Schutzkonzept fest:

  • den (ggf. angepassten) Beispieltext „Rehabilitation von zu Unrecht beschuldigten Personen“

6.12 Aufarbeitung

Übergriffe sexualisierter Gewalt dürfen sich nicht mehr wiederholen. Deshalb ist es wichtig, Verantwortung zu übernehmen und sich dem, was passiert ist, zu stellen. Es gilt aus der Vergangenheit zu lernen, um das Heute und die Zukunft anders zu gestalten. Dabei geht es darum aufzudecken, welches konkrete Handeln, welche Strukturen und welche Kultur in der Kirche dazu beigetragen haben, dass sexualisierte Gewalt passieren konnte, und wie diese in schützende Strukturen umgewandelt werden können. Betroffenen wird das Sprechen über das Geschehene ermöglicht, ihnen wird Gehör geschenkt, ihr Leid anerkannt und mit bedarfsgerechter Unterstützung zur Seite gestanden. Langfristig ist ein Kulturwandel Ziel der Aufarbeitung, zu dem sie gleichzeitig beiträgt.

Aufarbeitung geschieht auf verschiedenen Ebenen, die jeweils andere Herausforderungen mit sich bringen. Es gilt Trauma-sensibel vorzugehen und die Betroffenen im Blick zu behalten.

Individuelle Aufarbeitung

Menschen, die sexualisierte Gewalt im Raum der Kirche erfahren haben, setzen sich im Laufe ihres Lebens individuell mit den traumatischen Erfahrungen auseinander. Hier liegt der Fokus auf Selbstermächtigung, Verarbeitung und Weiterleben mit dieser Erfahrung.

„Ob Betroffene ihre traumatischen Erfahrungen bewältigen können, hängt auch davon ab, welche Folgeerfahrungen sie mit den verantwortlichen Institutionen machen und inwiefern diese ihren Zugang zu Unterstützungsmöglichkeiten fördern.“[18]

Deshalb braucht es Angebote der Begleitung, Vermittlung von Unterstützung, Beratung und Therapie sowie kreative Verarbeitungsmöglichkeiten. Außerdem müssen die weiteren Schritte der Institution transparent gemacht werden.

Institutionelle Aufarbeitung

Hier werden die Strukturen, die Kultur und die Maßnahmen und Angebote in den Blick genommen. Was hat Übergriffe ermöglicht? Welche Gelegenheits- und Gewohnheitsstrukturen haben sich eingeschlichen, die kritisch zu hinterfragen sind? Ist genügend Sensibilität in der Kirchengemeinde (Dekanat, Einrichtung) vorhanden, um wahrzunehmen und Betroffenen zu vermitteln: „Wir nehmen Sie ernst und glauben Ihnen.“

Im praktischen Vorgehen macht es dabei einen Unterschied, ob es darum geht, aktuelle Übergriffe aufzuarbeiten oder ob die Taten schon lang zurückliegen.

Was bedeutet das praktisch?

Aufarbeitung aktueller Fälle:

Den Ausgangspunkt der Aufarbeitung aktueller Fälle bildet die Intervention. Wo schnell, bedacht und konsequent interveniert wird, ist eine gute Basis für die weitere Aufarbeitung gelegt. Leitend sind im weiteren Handeln die folgenden Fragen:

– Was braucht der*die Betroffene jetzt? Fragen Sie. Lassen Sie es sich sagen. Zeigen Sie Interesse. Das kann von ganz praktischer Hilfe bis hin zu therapeutischer Hilfe oder aber auch dem entschiedenen Ablehnen von Hilfe von Seiten der Kirche gehen. Es kann auch das Anliegen sein, Wege zurück in die Kirchengemeinde und das Arbeitsfeld finden zu wollen. Leisten Sie die individuelle Unterstützung, die der*die Betroffene braucht.

– Wer braucht sonst noch Unterstützung? Angehörige, Zeug*innen, Mitarbeitende (ehrenamtliche wie hauptamtliche) haben im Nachgang zu einem Vorfall sexualisierter Gewalt oftmals auch Unterstützungsbedarf. Auch da muss individuell überlegt werden, was notwendig ist: Genügt ein „offenes Ohr“? Ist eine Supervision nötig oder andere professionelle Begleitung (auch von einer externen Fachberatungsstelle)? Ist eine „Auszeit“ vom Ehrenamt oder ein anderes Tätigkeitsfeld nötig? Fragen Sie nach und lassen Sie es sich sagen. Holen Sie sich selbst Unterstützung. Aufarbeitung kann nie eine Person allein leisten.

  • Überprüfen Sie Ihre Potential- und Risikoanalyse noch einmal: Was muss angesichts des Vorfalls geändert werden? Nehmen Sie ganz bewusst Umgangsregeln und Gewohnheitsstrukturen in den Blick.
  • Überprüfen Sie, ob das Interventionsverfahren angemessen und professionell für alle beteiligten Personen verlaufen ist.
  • Überlegen Sie, ob Sie in der Kirchengemeinde (Dekanat, Einrichtung) Informationsveranstaltungen zum Thema sexualisierte Gewalt platzieren können. Wie können Aufmerksamkeit und Sensibilität für das Thema aufrecht gehalten und gesteigert werden?
Aufarbeitung von Fällen, die länger zurückliegen:

Den Ausgangspunkt hierfür bilden meist Äußerungen Betroffener. Diese Prozesse bedürfen ebenso bedachter Schritte wie die aktuellen Vorkommnisse. Mehr als bei akuten Übergriffen spielen hier vor allem soziale Systeme, die über viele Jahre eventuell ein Geheimnis gehütet haben und der Prozess der Aufdeckung von Tabus eine große Rolle. Lassen Sie sich hierzu in der Meldestelle der Fachstelle zum Umgang mit sexualisierter Gewalt in der ELKB beraten. Leitfragen hierbei können sein:

  • Gibt es Erkenntnisse zu weiteren Betroffenen in der Kirchengemeinde (Dekanat, Einrichtung)?
  • Ist die beschuldigte Person noch am Leben?
  • Welche Motivation haben die Betroffenen mit ihrem Anliegen nach Aufarbeitung: Ahndung der Taten (juristische Aufarbeitung und Benennung und Sanktionierung von Beschuldigten/Täter*innen), Verbesserungen von Strukturen, damit so etwas nicht mehr passiert? Aber auch, welche Motivation haben Dritte, die einen Aufarbeitungsprozess anstoßen wollen?
  • Was hat in der Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) dazu beigetragen, dass sexualisierte Gewalt geschehen konnte und nicht wahrgenommen wurde? Auch andere Gewaltformen im Vorfeld und parallel müssen hier betrachtet werden. Dazu gehört auch das Thema Machtmissbrauch.
  • Die Übergriffe geschahen im Rahmen der Kirche. Deshalb ist auch ein Blick auf religiöse, theologische und geistliche Denkmuster zu werfen, die sexualisierte Gewalt begünstigt haben.
  • Was lernen wir aus unseren Gesprächen und Analysen für die Zukunft? Wo können wir durch höhere Sensibilität und Maßnahmen zu mehr Schutz beitragen?
  • Relativ am Ende kann es auch darum gehen, ob es etwas Bleibendes als Erinnerungskultur geben soll.

In allen Überlegungen ist es zentral, Betroffene mit einzubeziehen. Sie sind die Expert*innen und entscheiden individuell, wie sie sich einbringen können und wollen.

Wir empfehlen externe Aufarbeitung. Ein solches Vorhaben braucht gute Planung und Zeit. Nehmen Sie hierzu bitte Kontakt mit der Meldestelle der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der ELKB auf. Diese kann Ihnen mögliche Kontakte nennen.

[18] Stahl, Andreas, Was bedeutet Aufarbeitung?, in: Claussen, Johann Hinrich (Hg.), Sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche, 2022

Anleitung zum Vorgehen für den Baustein Aufarbeitung:

  1. Lesen Sie den Beispieltext „Aufarbeitung“ und machen Sie sich mit ihm vertraut.
  2. Was bedeutet dies für Sie konkret vor Ort?
  3. Sie können den Text übernehmen oder ihn ggf. an Ihre Gegebenheiten anpassen?

Textbaustein Aufarbeitung

Halten Sie in Ihrem Schutzkonzept fest:

  • den angepassten Textbaustein zum Thema „Aufarbeitung“

6.13 Vernetzung und Kooperation

Eine gute Vernetzung und Kooperation sind eine wichtige Grundlage für gelingende Präventionsarbeit. Sie dann nutzen zu können, ist notwendig bei der Intervention im Verdachtsfall, sowie bei der Aufarbeitung. Nur so können Sie bestmöglich zum Schutz der Betroffenen agieren. Gegenseitiger fachlicher Austausch und der Blick von außen durch externe Stellen helfen beim Erkennen von Entwicklungsbedarf in der eigenen Struktur und verschaffen Sicherheit im eigenen Handeln. Wo können Sie sich mit anderen vernetzen? Wo gibt es Kooperationsmöglichkeiten? Was sind Ihre individuellen räumlichen und regionalen Gegebenheiten?

Vernetzung und Kooperation zum Umgang mit sexualisierter Gewalt können beispielsweise hier entstehen:

  • zwischen verschiedenen Gemeinden und Einrichtungen einer Region
  • zwischen den Ansprechpersonen zum Thema sexualisierter Gewalt
  • zwischen den Präventionsbeauftragten
  • mit (regionalen) externen Fachstellen, die zum Thema sexualisierte Gewalt beraten
  • mit dem Jugendamt vor Ort (insofern erfahrene Fachkräfte)
  • mit der Polizei und Angestellten der Strafverfolgungsbehörden (Opferschutzbeauftragte)

Welche Vorteile hat Vernetzung für Sie?

  • Sie gewinnen Handlungssicherheit in der Prävention, Intervention und Aufarbeitung.
  • Der fachliche Austausch trägt dazu bei, immer wieder neue inhaltliche Impulse für die eigene Arbeit zu bekommen und das eigene pädagogische Handeln zu reflektieren.
  • Der gegenseitige Austausch stärkt die Wirkung Ihrer präventiven Arbeit.

Gesetzlich gibt es im §3 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz die Vorgabe, Rahmenbedingungen für verbindliche Netzwerkstrukturen im Kinderschutz zu schaffen. Dabei sollen sich alle regionalen Akteure, die sich für den Kinderschutz einsetzen (z.B. Einrichtungen und Dienste der öffentlichen Jugendhilfe) vernetzen, um sich bei Fragen und Themen des Kinderschutzes abzustimmen. Wo diese Strukturen vorhanden sind, können sie genutzt werden, um sich in den fachlichen Austausch einzuklinken.

Anleitung für den Baustein Vernetzung:

  1. Als Kirchengemeinde: bringen Sie in Erfahrung, ob Ihr Dekanatsbezirk bereits den Baustein „Vernetzung“ erstellt hat und passen Sie diesen ggf. an Ihre Gegebenheiten vor Ort an.
    Als Dekanatsbezirk und Einrichtung: Recherchieren Sie, welche Vernetzungsmöglichkeiten Sie in Ihrem Umfeld sehen. Welche Gemeinden, Einrichtungen oder passende/interessierte Kooperationspartner*innen, auch aus dem nichtkirchlichen Bereich, gibt es für einen Austausch?
  2. Recherchieren Sie, welche externen Fachberatungsstellen es gibt. Welche dieser Stellen wäre bereit für fachlichen Austausch/Vernetzung oder würde für Beratung zur Verfügung stehen? Nehmen Sie Kontakt auf.
  3. Fragen Sie nach, ob es für diese Fachberatungsstellen in Ordnung wäre, dass sie als Beratungskontakt im Schutzkonzept benannt werden.
  4. Besprechen Sie, ob die externe Fachberatungsstelle bereit wäre, Ihnen ein Feedback zum erstellten Schutzkonzept zu geben.
  5. Überlegen Sie, wann gute Zeitpunkte und wo gute Orte sind, um die Vernetzung im Bereich des Umgangs mit sexualisierter Gewalt in Ihren Arbeitsalltag zu integrieren. Wann gibt es passende (Dienst-)Besprechungen, Konferenzen, Treffen von Mitarbeitenden etc.?

Beispieltext Vernetzung

Formular Netzwerkpartner*innen

Angebot der UBSKM, um regionale Fachberatungsstellen zu finden:

https://www.hilfe-portal-missbrauch.de/hilfe-finden

Halten Sie in Ihrem Schutzkonzept fest:

  • den angepasstenTextbaustein zum Thema „Vernetzung und Kooperation“
  • Ihre Kooperations- und Vernetzungspartner*innen

6.14 Öffentlichkeitsarbeit

Das beste Schutzkonzept hilft nichts, wenn nach der Fertigstellung niemand davon weiß und es nicht in die alltägliche Arbeit einbezogen wird. Deshalb ist es wichtig zu überlegen: Wer muss was wissen und über welchen Weg passiert das am besten?

Außerdem hat Öffentlichkeitsarbeit selbst eine präventive Funktion. Es soll deutlich werden: Ihre Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) stellt sich aktiv gegen jede Form von sexualisierter Gewalt. Alle Mitarbeitenden sind sensibilisiert für das Thema. Sie setzen sich für den Schutz aller vulnerablen Zielgruppen ein.

Im Bereich Intervention und Aufarbeitung muss die Öffentlichkeitsarbeit in enger Zusammenarbeit mit dem Interventionsteam der eigenen übergeordneten Struktur (z.B. Dekanatsbezirk oder Kirchenkreis) organisiert werden. Die Abläufe hierzu werden dort erarbeitet.

Die Ziele der Öffentlichkeitsarbeit sind damit:

  • Das Leitbild als ethische Basis des Schutzkonzeptes ist allen Mitarbeitenden und der Öffentlichkeit bekannt.
  • Die im Schutzkonzept beschriebenen Beschwerdewege sind allen Zielgruppen der Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) bekannt.
  • Alle Mitarbeitenden sind über die sie betreffenden Themen (wie Schulung, Interventionsleitfaden, Verhaltenskodex), ihre jeweiligen Pflichten und die Ansprechpersonen informiert.
  • Das Engagement der Kirchengemeinde (Dekanatsbezirk, Einrichtung) zum Thema Prävention sexualisierter Gewalt wird der Öffentlichkeit regelmäßig über geeignete Kanäle und Medien kommuniziert.

Beispiele für Kanäle, Medien bzw. Formate, die Sie nutzen können:

  • Gemeindebrief
  • Homepage (z.B. Leitbild, Ansprechperson, Beschwerdestelle, Kontakt zur Fachstelle, Logo)
  • Schaukasten
  • Elternbriefe
  • Gemeindeversammlung
  • Informationen für Zielgruppen (z.B. Konfikurs, Jugendarbeit, Familien- und sonstige Freizeiten)
  • Pressemitteilungen (z.B. nach einer Präventionsschulung oder nach Verabschiedung des Schutzkonzeptes)

Anleitung zum Vorgehen für den Baustein Öffentlichkeitsarbeit:

  1. Überprüfen Sie Ihre Risiko- und Potentialanalyse auf relevante Punkte für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit und halten Sie diese fest.
  2. Sammeln Sie darüber hinaus Ideen in der Arbeitsgruppe, wie Sie die Themen Schutzkonzept und Prävention nach innen und außen kommunizieren wollen. Kreative Ideen, Wege und Aktionen sind an dieser Stelle erwünscht. Sie schaffen eine hohe Aufmerksamkeit.
  3. Als Kirchengemeinde: bringen Sie in Erfahrung, ob Ihr Dekanatsbezirk bereits den Baustein „Öffentlichkeitsarbeit“ erstellt hat, und passen Sie diesen ggf. an Ihre Gegebenheiten vor Ort an.

    Als Dekanatsbezirk und Einrichtung: Diskutieren Sie, wie Sie in Ihrer allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit die oben beschriebenen Ziele umsetzen können.

Beispieltext Öffentlichkeitsarbeit

Beispieltext verantwortungsvoller Umgang mit Fotos

Plakat der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt

Logo „Aktiv gegen Missbrauch“

Halten Sie in Ihrem Schutzkonzept fest:

  • den angepassten Beispieltext (Ihres Dekanatsbezirks) „Öffentlichkeitsarbeit“

  • wie Sie den verantwortungsvollen Umgang mit Fotos und belästigender digitaler Kommunikation umsetzen und bei welchen Gelegenheiten Sie das Thema mit Ihren Mitarbeitenden besprechen

  • über welche Kanäle (digital, Print…) Sie das Thema Prävention und Schutzkonzept nach außen darstellen wollen
  • die Verantwortlichkeiten für die Umsetzung

6.15 Beschäftigtenschutz

Das Präventionsgesetz der ELKB bezieht sich nicht nur auf sexualisierte Gewalt, die an Kindern, Jugendlichen, Schutzbefohlenen und weiteren anvertrauten Personen in Kirche oder Diakonie verübt wird. Kirchliche Mitarbeitende können auch selbst Opfer von sexualisierter Gewalt werden. Dies kann durch Kolleg*innen, Vorgesetze oder die ihnen anvertrauten Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen geschehen. Ein besonderes Augenmerk ist aufgrund des Machtgefälles auf Aus- und Fortbildung, Supervision, sowie Dienst- und Fachaufsicht zu legen.

„Ethische Grenzverletzungen in diesem Sinne sind die Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses und des menschlichen Vertrauens, vor allem in Seelsorge, Beratung, Betreuung, Pflege, Unterricht und Erziehung sowie in kirchlichen und diakonischen Dienstverhältnissen; eine besonders schwerwiegende Form ethischer Grenzverletzung sind sexuelle Belästigungen. Die Problematik der sexuellen Belästigungen und der anderen ethischen Grenzverletzungen bedarf der besonderen Aufmerksamkeit in Ausbildung, Fortbildung, Supervision, Dienst- und Fachaufsicht.“

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) spannt den rechtlichen Rahmen für diese Zielgruppe hin zum Beschäftigtenschutz. Hier finden sich Regelungen gegen Benachteiligung, gegen Diskriminierung und gegen (sexuelle) Belästigung. Der § 3 Abs. 4 AGG ist die Grundlage für das Vorgehen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

Mitarbeitende können sexualisierte Gewalt durch ihnen anvertraute Menschen, durch Ehrenamtliche, durch Kolleg*innen oder Dienstvorgesetzte erfahren.

Besonders verwerflich ist sexualisierte Gewalt dann, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis ausgenutzt wird, berufliche Vorteile versprochen oder Nachteile angedroht werden. Dies gilt insbesondere für Vorgesetzte, Personen mit Personalverantwortungs- und Ausbildungsfunktionen.

Nach dem Arbeitsrecht, dem kirchlichen Beamtenrecht und dem Pfarrerdienstrecht stellt jede sexualisierte Gewalt eine Verletzung arbeits- bzw. dienstrechtlicher Verpflichtungen dar und kann für die belästigende Person arbeitsrechtliche, disziplinarrechtliche und strafrechtliche Folgen haben. Sexuelle Belästigung wird im Regelfall zugleich eine erhebliche Störung des Friedens in dem betreffenden Arbeitsbereich bedeuten.

Alle kirchlichen Mitarbeitende, insbesondere Vorgesetzte sind verpflichtet dafür zu sorgen, dass sexuelle Belästigung nicht geduldet wird. Darüber hinaus sind Vorgesetzte dafür verantwortlich, dass auch Dritte durch kirchliche Mitarbeitende nicht sexuell belästigt werden und kirchliche Mitarbeitende vor sexueller Belästigung durch Dritte geschützt werden.

Schutz von betroffenen beruflichen Mitarbeitenden:

Mögliche Straftatbestände, dienst- und arbeitsrechtliche Verstöße sind unmittelbar der*dem nächsthöheren nicht betroffenen Vorgesetzten zu melden. Alle Personen unterliegen der Schweigepflicht, sofern nicht beide beteiligten Parteien (Betroffene*r und Vorgesetzte*r) schriftlich die Erlaubnis zur Informationsweitergabe erteilt haben. Es ist dringend geboten, externe Beratung zu holen, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Der betroffenen Person sollen Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.

Die Bearbeitung eines Meldefalls erfolgt in voller Transparenz und größtmöglicher Absprache der beteiligten Personen, insbesondere mit der betroffenen Person.

Umgang mit/Schutz von beschuldigten Mitarbeitenden:

Wie bei allen anderen Beschuldigungen, gilt auch hier zunächst die Unschuldsvermutung. In diesem Kontext ist es dringend geboten, externe Beratung zu einzuholen um das weitere Vorgehen abzustimmen. Um die beschuldigte Person zu schützen, kann eine Beurlaubung unter Fortzahlung der Bezüge ein geeignetes Mittel sein. In diesem Fall ist es wichtig, dass die Dienstgeberin fortlaufend den Kontakt hält und über den Stand der Ereignisse informiert. Der beschuldigten Person sollen externe Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.

Sowohl den betroffenen Personen, als auch den beschuldigten Personen steht es offen, sich vertrauensvoll an ihre Mitarbeitervertretung zu wenden.

Regelungen im Präventionsgesetz:

Die bislang bestehende Ordnung für den Beschäftigtenschutz vom 20. April 1999 (RS 803), die vom Landeskirchenrat im Einvernehmen mit der Arbeitsrechtlichen Kommission und dem Diakonischen Rat erlassen wurde, wird von den Regelungen des Präventionsgesetzes überlagert und mit den bereits im Entstehen begriffenen und künftig weiter entstehenden Schutzkonzepten in Einklang zu bringen sein oder von diesen abgelöst werden. Ihre Änderung beziehungsweise Aufhebung wird parallel zur Erarbeitung des Rahmenkonzeptes erfolgen.“ (Präventionsgesetz in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Begründung S. 6).

Es ist geplant, für die den Beschäftigtenschutz betreffenden Regelungen ein separates Konzept zu formulieren im Sinne eines bereichsübergreifenden Schutzkonzepts. Es wird die gesetzlichen Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zum Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz aufnehmen und sich an dessen Handlungsempfehlungen orientieren (siehe auch: Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Leitfaden für Beschäftigte, Arbeitsgeber und Betriebsräte, 2018).

Anleitung zum Vorgehen für den Baustein Beschäftigtenschutz:

  1. Lesen Sie den Textbaustein zum Thema Beschäftigtenschutz durch.
  2. Passen Sie den Textbaustein für Ihre Gegebenheiten an.

Beispieltext Beschäftigtenschutz


Halten Sie in Ihrem Schutzkonzept fest:

  • den angepassten Textbaustein zum Thema „Beschäftigtenschutz“

7. Alle Downloads und Anhänge

Anhang 8 Beispieltext SexPäd Konzept
Anhang 8.1 Checkliste
Anhang 9 Beispieltext Beschwerdemanagement

Der Beispieltext enthält die relevanten Punkte zum Thema Beschwerdemanagement, die sie in ihrem Schutzkonzept festhalten sollen.

Anhang 9.1 Möglichkeiten der Beschwerde

Ideensammlung, welche Beschwerdemöglichkeiten für Kinder, Eltern, KinderbetreuerInnen geeignet wären.

Anhang 10 Beispieltext Intervention

Der Beispieltext enthält die relevanten Punkte zum Thema Dokumentation, die sie in ihrem Schutzkonzept festhalten sollen.

Anhang 10.1 Dokumentation

Vorlage eines Dokumentationsbogen für Vermutungen von sexualisierte Gewalt.

Die Dokumentation hilft, eigene Gedanken und Gefühle zu strukturieren und schriftlich festzuhalten.

Anhang 10.2 Interventionsteam

Tabelle zum ausfüllen der Kontaktdaten des Interventionsteams im Dekanat.

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