Entwicklungen seit der Veröffentlichung der ForuM-Studie – Interview mit Martina Frohmader

Martina Frohmader, Leiterin der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der ELKB

Am 25.01.2025 jährt sich die Veröffentlichung der ForuM-Studie. Die Studie wurde durchgeführt vom Forschungsverbund „ForuM – Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland“. Martina Frohmader, Leiterin der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt, berichtet von den Schritten der Evangelischen Kirche in Bayern seit der Veröffentlichung.

Frage: Was hat die Veröffentlichung der ForuM-Studie letztes Jahr in der evangelischen Kirche ausgelöst?

Martina Frohmader: Sie hat große öffentliche Aufmerksamkeit und kritische Nachfragen ausgelöst – sowohl gesellschaftlich als auch kirchenintern. Manche Menschen waren aufgrund der Ergebnisse erschüttert, andere haben sich in Ihrer Erwartung bestätigt gefühlt. Es gibt seitdem eine intensive Auseinandersetzung, insbesondere mit den Erkenntnissen aus den Beiträgen der betroffenen Personen. Als Folge erarbeitete das Beteiligungsforum der EKD einen Maßnahmenplan, welcher von der EKD-Synode beschlossen wurde.

 

Frage: Was sind die zentralen Forderungen des Beteiligungsforums, und wie geht die Kirche damit um?

Martina Frohmader: Im Zentrum steht die geplante Novellierung der Gewaltschutzrichtlinie, die Auswirkungen auf alle Landeskirchen haben wird, einschließlich des Präventionsgesetzes in Bayern. Zudem soll eine zentrale Ombudsstelle für Betroffene geschaffen werden und ein Recht auf Aufarbeitung festgelegt werden, begleitet von einheitlichen Richtlinien und der Entwicklung einer Erinnerungskultur. Die Reflexion des evangelischen Sexualverständnisses und der identifizierten Risikofaktoren gehört ebenfalls zu den Maßnahmen. Ergänzend dazu sollen systematische Personalaktenanalysen eingeführt und die Aktenführung vereinheitlicht werden.

 

Frage: Auf Bundesebene können sich Betroffene über das Beteiligungsforum der EKD einbringen. Wie steht es um die Beteiligung von Betroffenen in der evangelischen Kirche in Bayern und was ist im letzten Jahr passiert?

Martina Frohmader: Im Dezember 2023 wurde eine Vereinbarung zwischen der UBSKM der EKD und der Diakonie Deutschland zur Errichtung Unabhängiger Regionaler Aufarbeitungskommissionen (URAKs) getroffen. Darin wurde genau beschrieben, wie eine Betroffenenvertretung gebildet werden soll. An dieses Verfahren haben wir uns als ELKB und Diakonie Bayern gehalten. Im letzten Jahr fanden daher drei Treffen statt, in denen sich betroffene Personen ausgetauscht haben, um sich auf den Weg zu machen, eine Betroffenenvertretung zu bilden. Im Dezember 2024 war es so weit. Eine erste offizielle Sitzung fand im Januar 2025 statt. Nun geht es darum, stabile Strukturen für die Arbeit der Betroffenenvertretung zu schaffen. Die Vertretung hat zwei Mitglieder benannt, die sie in die Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission, Verbund Bayern entsenden. Die URAK wird ihre Arbeit im März 2025 aufnehmen.

 

Frage: Was waren die Schwerpunkte der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt im letzten Jahr?

Martina Frohmader:

Im Bereich Prävention von sexualisierter Gewalt wurden im vergangenen Jahr rund 3.600 Personen durch Schulungen sensibilisiert. Das trägt erheblich dazu bei, Mitarbeitende sprach- und handlungsfähig zu machen. Mit der Veröffentlichung des Handbuchs für Schutzkonzeptentwicklung wurde ein wichtiger Schritt zur Unterstützung der Gemeinden und Einrichtungen gemacht. Das hat der Schutzkonzeptarbeit vor Ort sicher viel Schwung gegeben. Aktuell sind hunderte Gruppen dabei für die alltägliche Arbeit abgestimmte Schutzkonzepte zu erstellen. Wir erwarten, dass bis Ende 2025 eine Vielzahl dieser Konzepte abgeschlossen und implementiert sein werden.

Die Ansprechstelle für Betroffene und die Meldestelle haben im vergangenen Jahr eine Verdopplung ihrer Arbeit verzeichnet. Wir sehen es als ein positives Zeichen, das auf eine gestiegene Sensibilität und die zunehmende Bekanntheit der Strukturen hinweist. Die Ansprechstelle dient als erste Kontakt- und Clearingstelle für Personen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Der Beratungsprozess wird dabei an die Bedürfnisse der Betroffenen angepasst.
Die Meldestelle ist da für alle Verdachtsfälle und Meldungen im Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen. Die Mitarbeiterinnen beraten bei der Klärung und begleiten die Maßnahmen im Umgang mit Grenzverletzungen und Übergriffen. Wenn nötig, werden strafrechtliche bzw. dienst- und arbeitsrechtliche Schritte eingeleitet.

Im Jahr 2024 bis heute wurden 28 Anträge auf Anerkennung des erlittenen Leids eingereicht, von denen 19 bereits bearbeitet wurden. Dieser Prozess bietet den Betroffenen eine finanzielle Zuwendung als Zeichen der Anerkennung des Leids, dass ihnen im kirchlichen Kontext widerfahren ist. Derzeit warten wir auf die Überarbeitung der Richtlinien durch die EKD, um die Arbeit der Anerkennungskommissionen deutschlandweit zu vereinheitlichen. Bis dahin gelten die aktuellen Richtlinien.

 

Frage: Was denken Sie, ist jetzt wichtig?

Martina Frohmader: Der Umgang mit sexualisierter Gewalt wird ein langfristiges Thema für die Kirche bleiben. Es geht um Glaubwürdigkeit und eine christliche Verpflichtung, Betroffene zu unterstützen und Fehler aufzuarbeiten. Das geht uns alle an. Wichtig ist, dass wir alle in der evangelischen Kirche dazu beitragen. Als Mitarbeitende der Fachstelle werden wir Hauptberufliche und Ehrenamtliche in Kirchengemeinden, Einrichtungen und Dienste dabei weiterhin unterstützen und daran mitwirken.

 

Vielen Dank Frau Frohmader für das Gespräch. (AL)